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Paris, Januar 2015. Teil 19

 

Betrachtungen zum Attentat II. 

Wir halten uns weiterhin an den Artikel von Andreas von Westphalen, dem es allerdings auch nicht gelingt, den weiteren Verlauf der Ereignisse zu rekonstruieren. Was bisher halbwegs nachzuvollziehen war, verliert sich ab dem Zeitpunkt, als die Täter entgegen der Einbahn in den Boulvard Richard Lenoir eingebogen waren, in Unklarheit.

Von Westphalen beruft sich auf von ihm angegebenen französische Quellen, die den weiteren Weg der Täter in die Rue Pelée vermuten bzw. angeben lassen. (Siehe dort). Demnach wären diese vom Boulevard sofort in die besagte Rue Pelée eingebogen und diese hinab gefahren. Die Zeitungsquellen sind nicht ganz klar, in einer wird aber von einer dortigen Konfrontation zwischen Attentäter und Polizei berichtet, auch werden Zeugen angeführt.

 

Die Allée Verte hinauf auf den Boulevard, links am Polizeifahrzeug abbiegen und bei der nächten, der Rue Pelée, abermals links abbiegen.

 

Das klingt durchaus schlüssig; auch könnte es sich bei dem neuen Aufeinandertreffen mit Polizisten um die zuvor geflüchtete dreiköpfige Fahrradstreife gehandelt haben. Bildmaterial zu dieser Örtlichkeit und Spuren des Geschehens waren leider bislang nicht aufzufinden.  Allerdings mündet die Rue Pelée in einer Sackgasse, die nur von Fußgängern durchschritten werden kann.  Normalerweise.

 


Die Attentäter hätten nur noch in die Rue Nicolas Appert abbiegen können – zu Charlie Hebdo.

Die andere Möglichkeit für den Fluchtweg der Täter ist die, dass die Täter nach dem Linksabbiegen auf den Boulevard Richard Lenoir entgegen die Einbahn ihren Irrtum bemerkt und daraufhin gewendet hatten, um nunmehr in die richtige Richtung zu fahren. Nur, wie wahrscheinlich ist diese Alternative? Die Attentäter hätten das kollidierte Polizeifahrzeug und die bewaffneten Beamten erneut passieren müssen.

Diese Hypothese stützte sich zuerst auf ein Amateurvideo, welches von einer Wohnung in der Rue Gaby Sylvia aus in Richtung Boulevard aufgenommen wurde, von dem zwei Fragmente existieren. Schüsse sind auf beiden Sequenzen zu hören, aber in einer ist kurz ein schwarzes Fahrzeug zu sehen, welches als das Täterfahrzeug in Betracht kam.

http://www.newsflare.com/video/30129/crime-accidents/attentat-paris

 

Dieses Fahrzeug, durchaus dem Fluchtwagen ähnlich aussehend, ist allerdings viel zu kurz zu sehen, als dass es eindeutig identifiziert werden könnte. Der nachfolgende Motorroller mit zwei Personen scheint zudem fehl am Platz, sollten die hörbaren Schüsse von Polizisten abgegeben und dem schwarzen Wagen gegolten haben. Ganz schwach zu erkennen ein Polizist in der schmalen Parkanlage zwischen den beiden Fahrbahnen des Boulevard Richard Lenoir. Es ist aber nicht einmal ansatzweise auszumachen, wer wohin geschossen hatte genauso wenig die Fragen zu beantworten ist, was den Polizisten veranlasst haben könnte, sich in diese abgewandte Richtung zu orientieren.

Im Gegensatz zur Rue Pelée existiert vom Boulevard ein Foto, welcher einen gewissen Aufschluss gab. Ein ziviler Polizist sichert eine Stelle am Bordsteinrand, wo ein verbogenes Fahrrad der Polizei und eine daneben befindliche Hülse, beides noch nicht von der Spurensicherung markiert, zu sehen sind.

 

 

Von uns anfangs fälschlich der Rue Pelée zugeordnet, handelt es sich tatsächlich um eine Aufnahme vom Boulevard. (Danke an INP für den Hinweis). Dank Google-Street-View konnte er Ort eindeutig als Boulevard Richard Lenoir 47 identifiziert werden.

 


 

Diesem Foto müssten die Attentäter tatsächlich gewendet und risikofreudig die Polizisten ein zweites Mal passiert haben, um ein Stück weiter, nach der Querstraße Rue Gaby Sylvie einen Fahrradpolizisten anzufahren, der zumindest einen Schuss abgegeben haben dürfte.

 

Plan: INP

 

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge lässt sich der Widerspruch leider noch nicht aufklären.  (Wir werden die übersetzten Stellungnahmen der frz. Polizei abwarten müssen).

 

Die Attentäter verschwanden aber nicht von der Bildfläche, sondern tauchten überraschend auf der gegenüberliegenden Seite des Boulevard wieder auf, den sie über die kurze Strecke – und gegen die Einbahn – der Rue du Chemin Vert erreicht haben dürften.

Sie fuhren dort nun der Einbahnstraße gemäß in die richtige Richtung und in jene, welche sie zuvor hatten einschlagen wollen. Das heißt, die Fluchtrichtung war die gleiche, was erneut darauf hinweisen könnte, dass das vorherige Linkseinbiegen auf den Boulvard entgegen der Einbahn ein Versehen gewesen war.

Dennoch bleibt das Verhalten der Attentäter unverständlich und rätselhaft. Wir wissen nichts über deren Ziel, welches sie hatten erreichen wollen, aber es ist schleierhaft, warum ausgerechnet der Boulevard Richard Lenoir befahren werden sollte. Die Täter hätten auch andere Straßen verwenden können, um in Fluchtrichtung zu gelangen.

 

Genau dort kam es dann zu einem weiteren hässlichen Geschehen, welches in der Ermordung des Polizisten Ahmed Merabet mündete. Von dieser Situation existiert ein Video, welches von einem gewissen Jordi M. mehr oder weniger zufällig aus einem Haus heraus gefilmt worden war.

Dieses Video sollte in der Öffentlichkeit polarisieren und bei vielen den Beweis darstellen, dass es sich bei diesem Geschehen um eine Inszenierung handelt. Auch von Westpfahlen nimmt in seinem Artikel dazu Stellung.

http://www.liveleak.com/view?i=bc6_1420632668

 


Verdachtsmomente, dass es sich um eine gestellte Szene handeln könnte, gibt es eine ganze Reihe:

  1. Der unlogische und unverständliche Fluchtweg der Attentäter, welche wie zwanghaft den Boulevard befahren wollten und sich ihrem ursprünglichen Tatort wieder annäherten.
  2. Die Ermordung eines Polizisten als vollkommen sinnlose und unmotivierte Handlung, die dafür aber öffentlichkeitswirksam war.
  3. Missverhältnis zwischen Winkel der Waffe, Ausstoß der Treibgase über den Polizisten hinweg und fehlende Reaktion des Opfers.
  4. Das Killerduo, welches offenbar immer noch Zeit für Handlungen vor Ort besaß, ohne selbst von der Polizei bedroht zu werden.
  5. Der Zufall, dass ausgerechnet dort jemand aus dem Gebäude diese Szene filmen kann, obwohl ansonsten nur spärliches Filmmaterial öffentlich ist.
  6. Keine Reaktion (akustisch) beim Filmer, der doch gerade einen Mord filmte.
  7. Die später gezeigten Reste einer Blutlache, welche sich weit unterhalb des Kopfes befunden hatte.
  8. Letztlich auch die Herstellung in einen Kontext zu anderen merkwürdigen wie unglaublichen „Zufälligkeiten“ wie den „verlorenen“ Ausweis.

 

Wir wollen hier versuchen, uns dieser Szene anzunähern, die viele Fragen aufwirft. In einigen Punkten müssen wir Andreas von Westphalen widersprechen, auch wenn wir grundsätzlich nicht mehr wissen als er.

 

Wie es zu dieser Szene gekommen war, ist vollkommen unklar. Das veröffentlichte Video beginnt erst, als die Attentäter ihr Fahrzeug bereits zum Stehen gebracht und ausgestiegen waren. Mit ihren Sturmgewehren im Anschlag gingen sie aggressiv in Richtung des noch nicht sichtbaren Polizisten vor. Nach der Akustik zu urteilen gab der ganz in Schwarz gekleidete Täter drei Schüsse ab, an deren Anschluss fünf weitere Schüsse fielen, die aber heller im Klang waren. Wer diese abgegeben hat, ist unklar; entweder der zweite Täter oder eine Polizeiwaffe aus dem Hintergrund. Der auf den Polizisten abgegebene Schuss entspricht dem Klang der ersten drei Schüsse.

 

Entgegen der Ansicht von von Westphalen sehen wir keinerlei Anzeichen, dass es sich bei dem Polizisten Merabet um einen Fahrradpolizisten gehandelt hatte. Abgesehen von einem Fahrrad, welches woanders abgestellt worden sein könnte und beschädigt gewesen sein mochte, trug Merabet weder einen Fahrradhelm noch die Fahrradhose mit den typischen Signalstreifen, wie sie in Paris üblich sind. Aus irgendeinem Grund ist auf dem Video noch nicht einmal eine Waffe zu erkennen.

Deswegen gehen wir davon aus, dass es sich bei Merabet um einen jener Polizisten handelt, welche zuvor ganz in der Nähe, fast gegenüber, auf der anderen Seite des Boulevards mit ihrem Polizeiwagen kollidiert waren.

 

Eine Diskussion um den Kopfschuss sehen wir als erübrigt an, weil es diesen sichtlich nicht gab. Da zuvor mehrere Schüsse auf Merabet abgegeben worden waren, dürfte er an seinem Rumpf verletzt gewesen sein, worauf auch die später sichtbaren Blutspuren hindeuten. Die Verletzungen waren offenbar schon so schwer gewesen, dass Merabet leider verstarb.

Allen weiteren Überlegungen, welche von Westphalen aufwirft, können und müssen wir beipflichten. Dazu gehört einerseits das Verhalten der Attentäter, welche, obwohl laut Zeitschiene fast 20 Minuten nach dem ersten Auftreten der Attentäter vergangen sein dürften, nicht den Eindruck machten, als wären sie großartig im Stress. Dazu gehört allerdings nicht der Moment, wo einer der Täter den offenbar aus ihrem Fahrzeug gefallenen Turnschuh aufhebt. Beweismaterialien werden gewöhnlich nicht zurückgelassen.

Andererseits ist hier das Verhalten der Polizei zu hinterfragen. Nicht nur auf dem Boulevard Richard Lenoir, wo Merabet aus irgendeinen uns unbekannten Grund keine (sichtbare) Hilfe von seinen Kollegen erhielt, sondern grundsätzlich. Von Westphalen schildert in seinem Artikel die anfängliche Nichterreichbarkeit der polizeilichen Notrufzentrale, und es ist auch Tatsache, dass bis zum Schluss keine weitere Polizei erschien.

Da die Attentäter in der gesamten Zeit ihres mörderischen Tuns keine sonderliche Eile an den Tag legten, aber dennoch „locker“ fliehen konnten und die „übrige“ Polizei zuerst nicht erreichbar war und dann unangemessen spät – als alles vorbei war – erschien, muss hier die Überlegung, ob es einen Zusammenhang geben könnte, erlaubt sein.

 

Die Attentäter haben zumindest den Eindruck erweckt, dass sie um ein Zeitfenster wussten, welches ihnen zur Verfügung gestanden haben könnte. Zum Beispiel könnte es zum Zeitpunkt des Attentates zu einer vorsätzlich herbeigeführten Funkblockade bei der Polizei gekommen sein. Auffällig ebenfalls der kaum vorhandene Verkehr auf dem Boulevard, dessen Ursache erforscht werden sollte. Dies ist zwar spekulativ, die Attentäter schienen jedenfalls ganz fixiert auf eben diese Strecke gewesen.

Dass die Recherche dennoch auch in diese Richtung geführt werden sollte, beweist die Polizei selbst, weil sie bislang nicht erklären konnte, warum die anschließende Fahndung nach dem Fluchtfahrzeug trotz aller Überwachungsmittel ebenfalls floppte und es auch zu keiner nachträglichen Rekonstruktion kam. Uns ist jedenfalls keine bekannt, und nach wie vor nichts über den gemeldete Besitzer des Fluchtfahrzeuges. Die Geschichte fand erst ihre Fortsetzung mit dem Umstand, dass die Täter ihr Fluchtfahrzeug am Place Colonel Fabien im 19. Arrondissement quasi öffentlich abgestellt (medial als leichter „Unfall“ bezeichnet) hatten – mit unschlagbaren Beweismaterialien.

 

Abschließend zu diesem Kapitel möchten wir feststellen, dass wir die Meinung von Andreas von Westphalen, dass die Identifizierung der Täter angeblich auf „soliden Füßen“ stehen würde, nicht teilen. Dazu mehr zu einem späteren Zeitpunkt.

 

Dienstag
07
April 2015
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