Blog

Paris, Januar 2015. Teil 28.

Nach den Attentaten III.

 

Bezüglich Amedy Coulibaly erschien am 11. Januar 2015 im deutschen STERN ein Artikel, welcher sich mit dem Geschehen im Supermarkt „Hyper Cacher“ befasste. Hier gab es ebenfalls die Geschichte um den Telefonhörer, den Coulibaly angeblich „nicht richtig aufgelegt“ haben soll und weswegen die Polizei habe „mithören“ können. Davon abgesehen, dass dies auf einen Festnetzanschluss deutet, hatten wir bereits festgestellt haben, dass die Polizei dort nicht angerufen, ja, nirgendwo angerufen hatte, um mit dem Geiselnehmer Coulibaly zu sprechen. Stattdessen soll sie „mitgehört“ haben. Vorahnung?

http://www.stern.de/panorama/amedy-coulibaly-geiselnehmer-von-paris-rechtfertigte-sich-vor-opfern-2165413.html

 

Bei dieser Gelegenheit wurden über den STERN und anderen Medien angebliche Zitate aus den „Mitgehörten“ verbreitet.
„“Sie haben Menschen gefoltert. Sie müssen aufhören, den Islamischen Staat anzugreifen, unsere Frauen zu enthüllen, unsere Brüder grundlos in Gefängnisse zu stecken“, hielt Coulibaly den Geiseln vor.“

Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Coulibaly soll just nach seinem Telefonat mit dem frz. Sender BFM-TV zum Mithören seinen Geiseln seine Motivlage erklärt haben. Man mag fragen: wen sonst, denn die Polizei hatte mit ihm ja nicht sprechen wollen. Allerdings hatte Coulibaly bereits vorher zwei Stunden Zeit für Erklärungen gegenüber den Geiseln gehabt. Was soll das gewesen sein? Ein plötzlicher Ausbruch an Mitteilungsbedürftigkeit?
Das kolportierte plakative Zitat ist somit eine wunderbare Botschaft, von der wir sonst nichts erfahren hätten. Einen Hinweis mag vielleicht der Umstand bieten, dass sich der STERN auf den Sender RTL bezieht, der es wiederum auch nur „zitiert“ hatte. Wer das Audioband gehört haben will, ist somit verschleiert. Nur die Quelle ist eindeutig: BFM-TV und Polizei.

Ansonsten gibt es nichts mehr. Was konkret in dem Supermarkt alles vorgefallen war: unklar. Wie sich Coulibaly präsentiert, was er von sich gegeben hatte: unklar. Interviews mit entscheidenden Inhalten von Geiseln: nicht auffindbar. Der STERN selbst wechselte in seinem Artikel thematisch zu Coulibalys Lebensgefährtin, nach der die Polizei mit dem unterstellten Hinweis „bewaffnet und gefährlich“ angeblich „mit Hochdruck“ fahnden würde.

 

B6ypp1KIcAAjo6V

 

Die deutsche ZEIT brachte am 17. Februar 2015 noch ein wenig Erinnerungskultur mit der sensationserheischenden Überschrift „Attentäter standen vor Anschlägen in Kontakt“. In diesem Artikel berief sich die ZEIT nur auf anonyme „Ermittlerkreise“, welche wiederum ein Treffen zwischen Coulibaly mit einem der Brüder Kouachi in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 2015 als eine großartige Erkenntnis verkauften. Dass sich Coulibaly und die Kouachis gekannt hatten, war schon während der Attentate von der Polizei verbreitet worden. Da kommt es manchmal vor, dass man sich trifft, weil man sich kennt. Konspirativ kann diese Zusammenkunft auch nicht gewesen sein, denn die Frau von Chérif Kouachi soll davon gewusst haben.

http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-02/charlie-hebdo-amedy-coulibaly-attentaeter

 

Dieses verkündete Treffen ist vom Nachrichtenwert genauso inhaltsleer und bedeutungslos wie eine SMS, welche „von einem Handy nahe Chérifs Wohnung“ – nicht etwa von Chérif Kouachi – auf ein Mobiltelefon von Coulibaly gesendet worden sei. Irgendwelche Inhalte wurde erst gar nicht genannt, offenbar gab es keine.
Mit diesen lächerlichen Geschichten werden Nachrichten gebaut, die höchstens Eindrücke fabrizieren, die aber rein gar nichts besagen. Ein logischer Umkehrschluss mit der Frage, warum frz. Sicherheitsbehörden keine Beweise und konkrete Ereignisse und Zusammenhänge präsentieren können, erscheint dagegen vielversprechender. Über einen Monat später mit diesen telekommunikativen Nichtigkeiten herauszurücken mutet ohnehin grotesk an, schließlich besitzen die frz. Behörden weitreichende Überwachungsbefugnisse wie Vorratsdatenspeicherung etc.

Die Informationslage hinsichtlich der Brüder Kouachi war nach deren Tod sogar noch erbärmlicher, was das Attentat betraf. Die Ehefrau von Chérif Kouachi soll nichts gewusst haben. Aha. Das war alles. Auch hier kein Befund der Datenerfassungen, keine Berichte über Funde in Wohnungen, in ihrer Kleidung, in Fahrzeugen, keine Informationen von V-Männern aus der Szene – einfach nichts. Die Kouchi-Brüder gestalten sich somit derartig leer und aufgeräumt, wie wir es in unserer Umgebung nie vorfinden würden, und doch ein einziges Mal – angeblich – derartig schlampig, dass sie einen eigenen Ausweis im Fluchtfahrzeug „verloren“ haben sollen.

Womit wir wieder zu den Täterprofilen kommen. Diese Art von Ermittlungsergebnissen deuten auf unglaublich raffinierte Täter hin, die sich andererseits dann wieder unglaublich dumm hingestellt hatten. Zumindest, wenn die Kouachis und Coulibaly mit den Attentätern von „Charlie Hebdo“ bzw. Montrouge ident sind. Oder es deutet darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden von Frankreich besonders unfähig sind, nichts ermitteln können und nur zu Ergebnissen kommen, wenn ein Geständnis ungefragt abgeliefert wird. Glaubhaft ist dies nicht.
Zumindest wurden Fahndungen verkündet, von möglichen Hintermännern geredet, tatsächlich einige Personen festgenommen, einige wieder freigelassen. Konkret war da nichts. Auch hier keine „Spurenbefunde“, nichts über deren Untersuchung der Telekommunikation, erst recht keine Anklageerhebung gegenüber vermeintlichen Helfern oder Helfershelfer.

Erst am 9. März 2015 gab es eine weitere Meldung, nach welcher die französische Polizei vier neue Personen festgenommen hätten, die zum „Umfeld“ von Coulibaly gehört haben sollen. Konkret war auch an dieser Meldung nichts, denn ein „Umfeld“ wird allein für eine Anklage nicht ausreichen. Dies wird auch durch die verhaftete Polizistin nicht aufgewogen. Diese soll ihren Lebensgefährten unterstützt haben. Da muss nicht erst gefragt werden: wobei eigentlich?

„Wie ein französischer Fernsehsender berichtet, ist unter den Verhafteten auch eine Polizistin und ihr Lebensgefährte. Die Frau sei zum Islam konvertiert und im Februar von ihrem Job suspendiert worden. Sie werde verdächtigt, ihren Lebensgefährten unterstützt zu haben, der Coulibaly nahestand.“

http://www.srf.ch/news/international/anschlag-in-paris-polizistin-festgenommen

 

Donnerstag
11
Juni 2015
This entry was posted in Blog, Neuigkeiten. Bookmark the permalink.

Comments are closed.