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Brüssel, März 2016 – Ein Kommentar. Teil 7.

 

Der belgische Bundesstaatsanwalts Frédéric Van Leeuw hatte auf der oben genannten Pressekonferenzdazu außerdem eine phantastisch wirkende Geschichte anzubieten.

Neben dem „Finden“ jener Utensilien in der durchsuchten Wohnung – Bombe, Chemikalien, IS-Fahne – sollen die polizeilichen Ermittler unweit des Gebäudes in einem Mülleimer ein Notebook entdeckt haben. Und siehe da, auf diesem habe sich doch tatsächlich in Form einer Audio-Datei ein angeblich von Ibrahim El Bakraoui verfasstes Abschieds-Gestammel befunden. Also so etwas wie ein Geständnis.

 

 

Pressekonferenz vom 23.3., vollständig (frz.):

Quelle: Russia Today / YouTube. 

 

Bundesstaatsanwalt und verschiedene Medien hatten zu dieser Geschichte einige angebliche Inhalte dieser Audio-Datei ihrem Publikum präsentiert. Hier schien Authentizität gefragt.

Der mutmaßliche Attentäter Ibrahim El Bakraoui soll sensibel seine Befindlichkeiten geäußert haben. „Niedergeschlagen“, habe er sich gefühlt, und dass er nicht mehr wisse, was er machen solle. Er wäre nirgends mehr sicher, werde verfolgt. Und wenn es so weiter gehen würde, „würde er (mit ihm?) in einer Gefängniszelle enden“.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/bruessel-im-news-ticker-die-neuesten-entwicklungen-im-liveblog-a-1083673.html

 

Wie das so ist, wenn eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen wird.

Was hier angeboten wurde, war die Erkenntnis eines sehr schlicht strukturierten Verbrechers. Nur, was hatte das mit den Anschlägen zu tun? Das wurde nicht gesagt, da wurde überhaupt kein Bezug zu Attentaten hergestellt, nicht einmal zu einer x-belieben Terrororganisation.

Und überhaupt: wen interessierte dieses doch inhaltslose Gerede? Die Frage sollte lauten: an wen sollte sie gerichtet sein?

U n s sollte sie interessieren, der Öffentlichkeit sollte es unter die Nase gerieben werden. Der Kontext zu den Attentaten wurde ja nur suggeriert.

Die Umstände waren gleichfalls unlogisch wie dumm. Da soll ein mutmaßlicher Attentäter, der allein durch eine kriminelle Laufbahn aufgefallen war, irgendwie in Verbindung mit dem so genannten „IS“ gebracht werden, was er aber nicht verkörperte Der Mann soll weiter das Bedürfnis gehabt haben, ein paar Worte zu seinen Gefühlen zu verlieren, deren Empfänger ja nur die Polizei sein konnte und sonst niemand. Der selbe Mensch soll sich dann nur wegen dem „Fahndungsdruck“ selbst umgebracht haben. Aber nicht einfach so, sondern spektakulär inmitten von irgendwelchen Zivilpersonen, unter deren „Fahndungsdruck er nie gestanden hatte. Einfach so – und doch geplant. Wegen dem „Fahndungsdruck“.

Ist das allein nicht irre?

 

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Soll laut belgischem Bundesstaatsanwalt irre und beschränkt gewesen sein: Ibrahim El Bakraoui. Quelle: Immer noch „France 24″, Screenshot YouTube. 

 

Nach offizieller Leseart soll es sich der mutmaßliche Attentäter dann aber doch anders überlegt haben. Nicht, dass er seine Datei gelöscht oder gleich die ganze Festplatte zerstört hätte, nein er habe das ganze Notebook gleich nebenan in eine Mülltonne geworfen, wo es ganz auffällig seiner Entdeckung durch die Polizei geharrt haben soll. Also von jenen Leuten, an welche die „Nachricht“ ohnehin hätte gehen sollen.

Diese Geschichte des Bundesstaatsanwalts war noch dämlicher, noch manipulativer, noch konstruierter und unlogischer als jene von dem Attentat vom Januar 2015 auf Charlie Hebdo.

Wie viele Dateien sollen sich denn auf dem Notebook befunden haben? 1000, 100, 10 oder doch nur eine, um keine Zeit zu verlieren?

Selbst wenn die polizeiliche Spurensicherung ein Notebook nahe dem Haus der von den Behörden als mutmaßliche Attentäter deklarierten Personen gefunden worden wäre, bliebe hier der Umstand bestehen, dass es sich um einen Fund außerhalb der Wohnung mit den besagten „Beweismitteln“ handelte, und um einen nachträglichen dazu. Wer das Gerät in einer Mülltonne platziert haben könnte, stünde überhaupt nicht fest. Über das Besitzverhältnis wurde auch nichts gesagt.

Davon abgesehen, dass das bislang veröffentliche „Testament“, wie es einfältig in den Massen-Medien genannt wurde, scheinbar keine tatrelevanten Inhalte aufzuweisen hatte, stellt sich die Frage, wie die Polizei die Stimme von Ibrahim El Bakraoui identifiziert haben will. Weil der Sprecher das behauptet haben soll? Ein Abgleich kann ja nur mit authentischen Audioaufnahmen erfolgen. Gab es welche?

Überhaupt wirkte es merkwürdig dünn, dass von weiteren, anderen Funden aus der Wohnung nichts berichtet wurde. Auch nicht von irgendwelchen Dateien vom Laptop mit tatsächlich relevanten Informationen. Und wie verhielt es sich mit persönlichen Unterlagen und mit den Pässen?

Keine Rede davon.

 

Samstag
14
Mai 2016
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