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Wiener Blut. Teil 3.

 

In den frühen Morgenstunden des 3. Novembers hatte die Polizei zusammen mit Spezialeinheiten ganze 18 Hausdurchsuchungen in der sog. „Islamisten-Szene“ durchgeführt. Es wurde von 14 Festnahmen berichtet. Unter ihnen befanden sich bereits berüchtigte und einschlägig vorbestrafte Figuren aus der genannten Szene.

Innenminister Nehammer versuchte bereits frühzeitig den „Schwarzen Peter“ dem Justizministerium zuzuschieben, weil dieses für die vorherige frühzeitige Entlassung des Attentäters aus dem Gefängnis verantwortlich sei. Was sein Innenressort anbelangte, gab sich Nehammer eher ahnungslos, er wolle erst einmal aufklären.

Die Ahnungslosigkeit korrelierte allerdings wenig mit dem Polizeieinsatz in der „Islamisten-Szene“, wodurch deutlich wurde, dass sich die dort befindlichen Figuren sehr wohl auf dem Schirm der Exekutive befanden. Dann wurde öffentlich, dass just für den 3. November ein Polizeieinsatz gegen die „Islamisten-Szene“ geplant gewesen sei, die „Operation Ramses“. Daraus resultierte die Frage, inwieweit der Attentäter zuvor gewarnt worden sein könnte, um vielleicht vorher noch improvisiert Terror verbreiten zu können.

.Aber es kam noch schlimmer. Am 5. November titelte der KURIER auf Seite 3: „Pannenserie vor dem Anschlag“.

https://kurier.at/chronik/wien/die-unglaubliche-pannenserie-rund-um-den-anschlag-in-wien/401087283

Kujtim F. hatte am 21. Juli 2020 zusammen mit einem anderen jungen Mann versucht, in Bratislava in mindestens einem Waffengeschäft Munition für eine AK-47 zu kaufen, was allerdings aufgrund des fehlenden Waffenscheines gescheitert war. Zwei Tage später, am 23. Juli, hatte EUROPOL/Slowakei eine Meldung an die österreichischen Behörden geschickt, sogar das Wiener Kennzeichen des Fahrzeuges der Verdächtigen.

Dieses Fahrzeug konnte der Mutter eines gewissen Arijanit F. zugeordnet werden, ein junger Islamist unter Beobachtung des Inlandgeheimdienstes „Verfassungsschutz“. Es heißt, diese Information, auf welcher hin Kujitim F. hätte sofort wieder ins Gefängnis geschickt werden können, sei nicht an das Justizministerium weitergegeben worden – alleine wegen dem Verstoß der Bewährungsauflagen. Die österreichische Verbindungsstelle von EUROPOL hatte sich mit einer Antwort an die slowakischen Behörden Zeit gelassen, denn erst am 10. September soll die Aufklärung über die Person Kujtim F. erfolgt sein. Dies begleitend mit der Information, dass der Verdächtige unter Beobachtung stehen würde.

Anschließend wurde im Innenministerium von „Fehlern“ geredet, zum Beispiel von einem „Kommunikationsfehler“, so Innenminister Nehammer am 4. November abends. Alles weitere wurde auf eine zukünftige Untersuchungskommission geschoben. Neben der einsetzenden politischen Anpatzerei erklärte der Wiener Polizeipräsident Pürstl, „dass es noch kein vollständiges Bewegungsprofil des Attentäters gebe“. So kann man das mysteriös fehlende „Bewegungsprofil“ vor dem Anschlag auch umschreiben.

https://www.diepresse.com/5892657/mit-attentat-einer-razzia-zuvorgekommen

Pürstl hatte allerdings noch ganz andere Wortmeldungen zu bieten:

Dieser „bestätigte am Donnerstag, dass die österreichischen Behörden einen Hinweis der slowakischen erhalten haben. Zwei Männer, die auf die Beschreibung im Waffengeschäft passten, wurden auch befragt. Es seinen „Einschätzungen“ getroffen worden, die zu weiteren Erhebungen geführt hätten. Erst Mitte Oktober bestätigten die Slowaken, dass einer der beiden Kujtim F., Terrorist auf Probezeit, war. Ganz sicher war man sich aber bis zum Schluss nicht. Daher sei keine Observation möglich gewesen, es hätte eine Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten gebraucht.“

https://kurier.at/politik/inland/richterin-zu-terrorakt-munitionskauf-waere-ein-warnsignal-gewesen/401088582

Was redete der Polizeipräsident? Beschreibungen, obwohl aus dem einen Waffengeschäft das Video einer Überwachungskamera vorhanden war/ist, obwohl das Fahrzeug-Kennzeichen vorgelegen war? Und dann sollen Leute befragt worden sein? Also Kujitim F. und Arijanit F.? Aber die Polizei soll sich nicht sicher gewesen sein? Die Slowaken sollen dies erst bestätigt haben, die nachgefragt hatten? Und dennoch keine „Observation“ wegen der Verwaltung?

Halten wir fest: die Verdächtigen wurden befragt. Das Ergebnis dieser Befragung wurde nicht genannt. Und halten wir weiters fest: Kujitim F. und Arijanit F. haben mit der Polizei gesprochen.

Polizeipräsident Pürstl verarschte seine Zuhörerschaft nach Strich und Faden, was bei den KURIER-Redakteuren offenbar nicht bemerkt wurde. Bei PROFIL klang es nur wenig anders:

„Seit die slowakischen die österreichischen Behörden im Juli über den versuchten Munitionskauf des späteren Attentäters von Wien informiert hatten, haben Verfassungsschützer eine Gefährdungseinschätzung durchgeführt. Diese war zum Zeitpunkt des Anschlags noch nicht abgeschlossen. Denn erst am 16. Oktober erhielten die heimischen Behörden eine Rückmeldung aus der Slowakei, die aber keine „abschließende Klarheit“ brachte, ob der Käufer der spätere Täter ist.

Das erläuterten der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl und der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.“

Was heißt das? Die österreichische Polizei soll es nicht geschafft haben, die Verdächtigen innerhalb von drei Monaten trotz aller verwertbaren Informationen zu identifizieren, jedenfalls nicht „richtig“. Und dann sollen die Kollegen aus der Slowakei sich rückgemeldet haben, wenn auch ohne „abschließende Klarheit“.

Und weiter im PROFIL:

„Am 23. Juli übermittelte die im slowakischen Innenministerium angesiedelte nationale Kriminalagentur alle zusammenhängenden Informationen über den versuchten Munitionskauf des Attentäters von Wien über die nationale Verbindungsstelle von Europol an den Verfassungsschutz, sowohl an das LVT als auch an das BVT. Demnach haben am 21. Juli 2020 zwei Personen – „wahrscheinlich mit arabischem, türkischem oder tschetschenischem Hintergrund“ – in Waffengeschäften in Bratislava „Munition des Typs 7,62 x 39 mm für das Sturmgewehr AK 47 (Kalaschnikow)“ zu kaufen versucht. Diese Personen verwendeten dabei laut den Unterlagen einen weißen Pkw der Marke BMW mit österreichischem Kennzeichen.

Beigelegt waren Fotos der Überwachungskamera eines Waffengeschäftes. In weiterer Folge identifizierten die österreichischen Behörden die beiden Männer und übergaben diese Informationen den Slowaken, die beim Waffenhändler Rücksprache hielten. Einer der Männer wurde von diesem als der spätere Wien-Attentäter identifiziert, beim zweiten dürfte es sich um einen ebenfalls nun festgenommenen Mann mit Zugehörigkeit zur radikal-islamistischen Szene handeln. Dieser wurde vom Waffenhändler allerdings nicht wiedererkannt.“

https://www.profil.at/oesterreich/anschlag-in-wien-die-aktuellen-entwicklungen/401085006

Hier wurden die beiden Verdächtigen nun identifiziert. Dass der Waffenhändler den einen nicht wiedererkannt haben soll, spielt ja keine Rolle mehr, denn von diesem stammte ja das identifizierte Fahrzeug (seiner Mutter).

Die österreichische Polizeiführung stellte es aber so da, als wären die Slowaken an der Nichtermittlung schuld.

„Mehrfach mussten die heimischen Behörden in der Slowakei urgieren, ehe sie am 16. Oktober das Schreiben erhielten, in dem bestätigt wurde, dass es sich beim gescheiterten Waffenkäufer um den späteren Attentäter handelt. Doch auch dann hätte es noch „keine abschließende Klarheit“ gegeben, erläuterte Ruf. Die Gefährdungsabschätzung war unterdessen am Laufen, erläuterte der Generaldirektor.

Pürstl betonte, dass bei Verdachtsmomenten nicht sofort tiefgreifende Maßnahmen gesetzt werden können. „Wir müssen als Staatsschutzbehörde einmal eine entsprechende Beurteilung der Gefahrenlage vornehmen“, dafür gebe es standardisierte Programme, die in den Monaten August und September durchlaufen wurden, ebenso sei der Staatsschutz nach Einlangen der Informationen sofort tätig geworden.“

Das klingt interessant. Nichts geht sofort, es muss beurteilt werden, wochenlange Programme, aber danach, endlich, sei man tätig geworden. Mit einer „Intensivierung“ der „Risikobewertung“. Und das dauert natürlich ebenfalls.

„Nach Erhalt des Schreibens sei jedenfalls die Risikobewertung intensiviert worden. Der Attentäter habe außerdem handelsübliche Munition kaufen wollen, was kein Strafrechtsdelikt darstellt. Wie die APA am Donnerstag erfuhr, gehen bei den Staatsschützern jedes Jahr rund 1000 Informationen mit solch sensiblem Inhalt aus dem Ausland ein, die überprüft werden müssen.“

Man muss für einen Rückschluss, dass „handelsübliche“ Munition für ein Sturmgewehr für ein selbiges angeschafft werden soll, nicht sonderlich intelligent sein. Und es hatte der Kontext zu einem bestimmten und bereits vorbestraften Personenkreis vorgelegen.

Hier das Video aus der Pressekonferenz vom 5. November 2020:

 

 

Pürstl sprach hier von einem offenbar nicht ganz vollständigen Kennzeichen, von schlechten Bildern der Überwachungskamera und von mehreren Verdächtigen, die geprüft worden wären.

Die Sache ist nur die, dass die richtigen Verdächtigen bereits verortet worden waren, weswegen die Überprüfung eines Alibis keinen großen Aufwand bedeutet hätte. Nicht angeführt wurden auch die mit Kameras überwachten Grenzübergänge, von der polizeilichen Präsenz in der „Corona-Zeit“ einmal abgesehen.

Wo befand sich nun das Problem? Pürstl sprach nicht von konkreten Ermittlungen, er sprach von Prognosen.

Interessant bei diesem Thema das angebliche Problem mit Observierungen. Hier wird suggeriert, als würden in den entsprechenden kriminellen Szenen irgendwelche Polizisten oder Geheimdienstleute in Autos oder in konspirativen Wohnungen sitzen, um zu observieren. In der Regel werden oder sind die genannten Szenen allerdings infiltriert, das ist günstiger, zeitnah und verlässlicher.

Nur in Österreich nicht. So jedenfalls erzählt man es sich.

 

Montag
23
November 2020
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