Oh, ein Brief vom Bürgermeister! Das Schreiben vom 10. Jänner 2019 wirkt persönlich und wurde als Massenaussendung an die Haushalte von Wr. Neustadt versendet. Wie bei Massenaussendungen üblich, wandte sich der Bürgermeister Schneeberger mit einem pauschalisierten Text an die Bürger, die eine Werbebotschaft für die Landesausstellung 2019 beinhaltete. Diese Veranstaltung ist zwar nicht unbedingt sein Verdienst, doch hat er natürlich Interesse, dass er die Landesausstellung als erfolgreich verbuchen kann. Erfolg misst sich in seinen Kreisen in Zahlen: Zahlen für Besucheraufkommen, für Umsatz und für Einnahmen.
„Mein größter Wunsch als Bürgermeister ist es, dass nicht nur zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus nah und fern nach Wiener Neustadt kommen, sondern vor allem, dass die Wiener Neustädterinnen und Wiener Neustädter ein Teil davon sind“, lässt Schneeberger in dem Schreiben verlautbaren.
Ein Teil davon wird die Neustädter Bevölkerung allerdings nie sein, denn sie ist nicht involviert. Teilhaben soll sie allerdings schon – als zahlende Besucher. Dafür wird etwas angeboten, was ansonsten nicht unbedingt beworben wird: Grundbildung. Denn die Landesausstellungen wenden sich grundsätzlich an ein Massenpublikum, weswegen der Anspruch eher etwas niedrig gestaltet wird.
„Es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, um sich intensiv mit der eindrucksvollen Geschichte unserer Stadt auseinanderzusetzen“, glaubt Schneeberger nicht desto trotz, „und zu erkennen, welche Stärke und welchen Stolz diese Stadt immer hatte.“
Für Schneeberger steht offenbar das Ergebnis der Auseinandersetzung bereits vorher fest. Das lässt uns an eine von ihm getätigte „intensive“ Auseinandersetzung erheblich zweifeln. Das Provinzstädtchen Neustadt hatte bestenfalls im späten Mittelalter eine Rolle gespielt, vor allem als Residenzstadt Friedrich III., und im 20. Jahrhundert als Industriestadt für Flugzeuge, Fahrzeuge und vor allem für Kriegsgerät und Munition.
Der Bürgermeister konnte aber nur Entwicklungen im Bereich der Wissenschaft und Forschung nennen, was sich zweifellos besser verkaufen lässt als Krieg und Vernichtung. Einen kulturellen, gar geistreichen Anspruch sucht man ohnehin vergebens. Das reicht für Schneeberger bereits, um daraus eine angebliche „Erfolgsgeschichte“ zu konstruieren. Der an mehreren anderen Enden fortgesetzte und auch sichtbare Niedergang von Wiener Neustadt wurde nicht thematisiert.
Ein Freund merkte einmal an, dass das einzige, was ist in dieser Stadt von Kontinuität sei, deren systematische Zerstörung durch die jeweiligen Stadtregierungen. Dazu habe es die Kriegsereignisse 1943-1945 gar nicht bedurft, auch wenn sie gleichwohl zu späteren Zeiten als Vorwand gedient hätten.
Er hat nicht unrecht, denn mittlerweile ist sogar der triste Ostblock-Charme verschwunden.
Die zukünftige Landesausstellung, für deren Inhalt die Stadt nicht verantwortlich ist, soll logischerweise in den Fokus gerückt werden, um ja nicht auf andere Anliegen aufmerksam zu werden. Die Veranstaltung soll laut dem Bürgermeister erstaunlicherweise als Basis dienen, was mit Blick auf Pöggstall Schlimmes erahnen lässt. Immerhin soll sie Schwung geben, so seine Hoffnung. Wofür auch immer. Seine uninspirierten PR-Berater scheinen selbst am Ende ihrer Phrasen gewesen zu sein.
„Damit das gelingt, braucht es viele Wiener Neustädterinnen und Wiener Neustädter, die sich engagieren“, meinte der Bürgermeister. Ehrenamtlich natürlich, ganz im Gegensatz zu ihm und seinem überbezahlten Klüngel. „Daher bitte ich Sie, nicht nur in Wiener Neustadt zu wohnen, sondern hier auch zu leben…“, umschrieb er sein Ansuchen, unser sauer verdientes Geld vor Ort zu verprassen, ohne benennen zu können, was es im Gegenzug zu erwerben gibt. Wir fahren mittlerweile lieber nach Baden oder importieren aus Deutschland.
„…sich mit der Stadt zu identifizieren, sich einzubringen und mitzuhelfen, unsere Stadt weiterzuentwickeln“, so der Bürgermeister weiter.
Ehrlich, wir haben uns über das Geschwätz amüsiert, steht doch die Regierung Schneeberger für Rückschritt und Reaktionäres.
„In unserer Stadt ist in diesem Jahr vieles in Bewegung, deshalb haben wir das Jahr 2019 auch zum „Jahr der Bewegung“ ausgerufen. Seien Sie ein Teil davon! Ich freue mich auf Sie!“
Auf uns freute er sich bisher allerdings nicht.
Der beigelegte Werbe-Folder „2019 – Jahr der Bewegung“ warb unter anderem mit dem super-hässlichen Hotelbau am Stadtpark, einem Phantasiebild von dem zukünftigen und vollkommen verunstalteten wie verdichteten Areal bei der Karmeliter-Kirche sowie der Revitalisierung der Kasematten, welche fälschlicherweise als „europaweit einzigartige Befestigungsanlage“ gepriesen wird, die trotz der Errichtung im 16. Jahrhundert gar ins 12. Jahrhundert zurückreichen würde.
Auf der Rückseite des Folders wird schließlich noch darum gebettelt, doch bitte in der zunehmend verödeten Innenstadt einkaufen zu gehen. Von „grenzenloser Vielfalt“ ist hier die Rede.
Wir entdecken vor allem Einfalt.