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Paris, Januar 2015. Teil 16.

 

Die gedruckten Massenmedien in Österreich IV. 

Neben den Soldiaritätsbekundungen gegenüber den ermordeten Menschen sowie „Charlie Hebdo“, schien es den westlichen Massenmedien als gesichert, dass der Anschlag auf die Redaktion dieses Satire-Magazins aus Rache wegen den Karikaturen erfolgte, ausgeübt von beleidigten islamischen Fundamentalisten.

Abseits des nicht geklärten Hintergrunds, der Frage, warum derartige Täter ein vergleichsweise schäbiges Ziel und dies auch noch mit jahrelanger Verspätung angreifen sollten, wurde dieses Attentat durch Politik und Medien als ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit hingedeutet. Die Täter hatten dies schließlich ihrer Umgebung offenherzig mitgeteilt, nicht direkt zwar, aber es hatte sich in diese Richtung interpretieren lassen.

Dies könnte man so stehen lassen, man könnte auch darüber diskutieren, wie sich Meinungsfreiheit definiert, von wem diese tatsächlich ausgeübt wird und von wem nicht, wer Meinungen in unendlichen Wiederholungsschleifen produziert und wer von sich behauptet, die Meinungshoheit zu besitzen und gleichzeitig alle anderen, welcher dieser nicht folgen wollen, zu diskriminieren oder zu verlächerlichen versuchen.

 

Mathias Bröckers nannte die Pressefreiheit die Freiheit der Lügenpresse, womit er, von einigen Ausnahmen abgesehen, richtig liegt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wer diese Meinungsfreiheit tatsächlich nutzt. Selbst in unserer unmittelbaren Umgebung stellten wir fest, dass es immer noch einige Menschen gibt, die glauben, dass die Wiedergabe von Zitaten aus SPIEGEL, KRONE und BILD so etwas wie ihre persönliche Meinung darstellt, während bei dem weitaus größeren Teil schlichtweg keine Meinung festzustellen war. So geht es also auch, womit die Sorge um freie Meinungsäußerung wenig begründet scheint.

 

Der Islam ist nicht gleich…

 

Größeren medialen Raum erhielten die Monolog-Diskussionen über den Islam als Religionsgemeinschaft, über Integrationsfähigkeit oder über Radikalisierung, dem eine angebliche Wertegemeinschaft des Westens gegenübergestellt wurde, liberal, gut, sogar kritisch, außerdem zumeist verständnisvoll und sich nur mit Waffengewalt verteidigend, wenn es sein musste. Weltweit.

Der Hausdemagoge des STANDARD, Hans Rauscher, ließ am 8. Januar 2015 die Frage offen, ob die Mehrheit der Muslime die Morde in Paris scharf verurteilen würden. Diese böswillig angedeutete Unterstellung eines Rauscher, der die Ermordung von einer Million Iraker durch seine US-Freunde nie verurteilt hat, wurde in der STANDARD-Ausgabe des folgenden Tages durch den Abdruck zweier dümmlicher Leserbriefe „unterstützt“.

Rauscher legte an diesem 9. Januar mit einem Kommentar nach und gab das unreflektiert wieder, was die frz. Polizei an die Medien weitergereicht hatte. Das Attentat war zwar erst zwei Tage her, die Täter noch auf der Flucht, aber die Akte der Verdächtigen bereits öffentlich.

Rauscher fragt nicht nach dem ungewöhnlichen und auch fahrlässigen Gebaren des frz. Innenministeriums, stattdessen nahm er den vorgeworfenen Ball auf und bastelt sich damit seine eigene Geschichte, die in seiner Forderung gipfelt, dass die „muslimische Community“ die Verantwortung für „diese radikalisierten jungen Männer“ übernehmen solle.

Wir sind gespannt auf den Augenblick, an dem Rauscher die christliche Gemeinde auffordern wird, durch Christen angerichtete Massaker die Verantwortung zu übernehmen. Und er voran, wie es sich für einen Meinungsanführer gehört.

Islam in Europa. Rauscher. Standard, 8. Jan. 2015.

http://derstandard.at/2000010105114/Islam-in-Europa

Täterprofil. Rauscher, Standard, 9. Jan. 2015

http://derstandard.at/2000010161500/Das-Taeterprofil


... Islamist, der ist nicht gleich…

 

In der selben Ausgabe fragte Nermin Ismail in „Für die Freiheit, gegen den Hass“ zum Glück, warum sich Muslime für die Taten von Mördern rechtfertigen sollen, und stellte fest, dass sie nichts mit denen gemein haben.

„Für die Freiheit, gegen den Hass“, Standard, 9.1.2015

http://derstandard.at/2000010159001/Fuer-die-Freiheit-gegen-den-Hass

 

Das war im STANDARD nicht zu erwarten gewesen. Normalerweise muss man sich abseits der Massenmedien orientieren, um andere Stellungsnahmen zu lesen. Wie hier:

http://kosmo.at/news/Ich-bin-nicht-Charlie-Ich-bin-Kemal

 

Im Gegensatz zu Rauscher schrieb sogar Gudrun Harrer im STANDARD:

… Nun beginnt wieder die Zeit, wo muslimischen Vertretern auf der ganzen Welt Verurteilungen abverlangt werden…“

Allerdings meinte sie auch pauschal:

„… Der Islam ist in der vielleicht finstersten Periode seiner Geschichte…“

Es blieb unklar, wie sie das gemeint haben könnte. Ihre Sorge um die Beziehungen zwischen Nichtmuslimen und Muslimen war sicherlich berechtigt, daran wurde und wird auch gearbeitet. Aber von anderer Seite, als sie denkt und es ihren Lesern mitteilen möchte.

Gudrun Harrer: Abscheu und Widerstand, Standard, 8. Jan. 2015.

http://derstandard.at/2000010108911/Abscheu-und-Widerstand

 

„Der Anschlag war nicht einer der oft viel zahlreichere Opfer fordernden wahllosen Großattentate á la Kaida, in denen der Terror zum Kommunikationsmittel wird. Es war kein Akt eines oder mehrerer suizidaler Individuen, oft Einzeltäter, die auf ihrem Weg in den Tod noch ein paar ausgesuchte Opfer – die sie als Vertreter von Tätern sehen – mitnehmen. Das war eine Operation mit militärischem Charakter, die die Angreifer überleben wollten, und sie hatte tatsächlich den Zweck, jene zu „bestrafen“, die sich nicht nach den Regeln der Ethik richten, die diese Leute als islamisch bezeichnen: mit Muhammad darf man keinen künstlerischen Spott treiben.“

 

Harrer phantasiert sich einen Hinterggrund zusammen, den es nicht gibt oder der nicht bewiesen ist. Wer oder was ist „Al Kaida“? Welche bewiesenen Großattentate? Und die auch nach wahllos?

Harrer sieht in dem Attentat in Paris eine „Operation mit militärischem Charakter“, stellt richtig fest, dass die Attentäter (unerkannt) entkommen wollten, weil die Maskierung sonst keinen Sinn gehabt hätte, postiert aber bereits eine Vermutung als ein reales Geschehen. Das heißt, der Befund stand bereits fest. Bei ihr und bei allen anderen.

 

… ein Mörder oder Angehöriger einer Mörderbande.

 

Etwas ausgewogener Wolfgang Böhm mit seinem Leitartikel „Die größte Prüfung für Europa wird der Islamismus“ in der PRESSE am 9. Januar. Bedauerlicherweise stellt er die EU als einen Hort des Positiven dar, wobei ihm auch nicht mehr einfällt, als Reisefreiheit und offene Grenzen, was vorher auch nicht wirklich ein Problem gewesen war. Dass die EU bzw. die Führungsriege ein Teil des Problems ist, wird nicht ansatzweise in Frage gestellt. Das so genannte „Wertesystem“ hat durchaus einige positive Inhalte, aber ebenso viele negative. Die angebliche Ausrichtung auf ein friedliches Nebeneinander steht nicht im Programm, wenn es um die Erweiterung oder Festigung der eigenen Hegemonie geht.

Die größte Prüfung für Europa wird der Islamismus. Von Wolfgang Böhm. Presse, 9.1.2015

http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/4634030/Die-grosste-Prufung-fur-Europa-wird-der-Islamismus

 

Am selben Tag versuchte sich Harrer mit einer Analyse, die freilich nur einen Teil des Ganzen beinhaltete:

http://derstandard.at/2000010162198/Ein-typischer-Weg-in-den-islamistischen-Radikalismus

Auf das Gewäsch eines Wolfgang Müller-Funk im STANDARD vom 10. Januar wollen wir hier nicht eingehen, weil es inhaltlich nichts bietet.

http://derstandard.at/2000010206789/Die-Zivilgesellschaft-in-der-Klemme

 

Am 10. Januar präzisierte Rauscher einseitig seine konstruierte Verantwortung, die seiner Meinung nach andere, die Moslems und deren geistige Führer, für die Taten ganz anderer übernehmen sollten. Zumal diese möglicherweise nur vorgegeben haben, Muslime zu sein. Das beste aber ist die Aufforderung von Rauscher an die Moslems, eine „wache Zivilgesellschaft heranzubilden, in der es selbstverständlich sein wird, sich selbst in Frage zu stellen.“

Es fragt sich nur, wer Rauscher ernst nehmen kann, weil er dummerweise auch in dieser Hinsicht alles andere als ein Vorbild ist.

Was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Rauscher. Standard, 10.1.2015

http://derstandard.at/2000010206842/Was-es-heisst-Verantwortung-zu-uebernehmen

 

Christian Prantner meinte im STANDARD am 10. Jan., dass „Lachen ist Opposition“ sei. An sich selbst denkt er dabei hoffentlich nicht.

Essay von Christoph Prantner: „Lachen ist Opposition“. Standard, 10.1.2015

http://derstandard.at/2000010210241/Lachen-ist-Opposition

 

Gudrun Harrer beschäftigte sich in der STANDARD-Ausgabe vom 10. Jänner mit dem Propheten Muhamad.

http://derstandard.at/2000010211812/Perfektes-Objekt-fuer-die-Parodia-sacra

 

Helmut Brandstätter setzte sich im Kurier mit der pervertierten Form des fundamentalistischen Islam, der Staatsreligion von Saudi-Arabien, auseinander. Er weiß, dass es sich bei diesem Staat um einen Verbündeten der USA und um einen „beliebten“ Handelspartner des Westens handelt. Und er weiß, dass Katar ein „wichtiger“ Investor im Westen sei, aber – lustig – nach „deutschen Erkenntnissen“ gleichzeitig Geldgeber „der Terroristen der IS“.

Unklar bleibt freilich, warum die Saudis als Terrorunterstützer hier nicht genannt werden, und zwar noch vor Katar. Vielleicht liegt es an dem Bündnis, weswegen es Brandstätter geschickter gefunden haben mag, dies bei den Saudis wegzulassen. Das ändert aber nichts an dem auch von ihm artikulierten Widerspruch, warum der Westen den IS bekämpfen will, der doch von den westlichen Bündnispartnern ausgehalten wird. Eine nachfolgende Überlegung hätte plötzlich ein gravierendes Problem bedeutet.

Für einen Dialog ohne Tabus und Feigheit, Helmut Brandstätter, Kurier, 11.1.2015

http://kurier.at/meinung/kommentare/innenpolitik/fuer-einen-dialog-ohne-tabus-und-feigheit/107.345.358

 

Vielleicht ist die ganze Diskussion ohnehin vergebene Mühe, wenn wir es in Wirklichkeit mit „muslimischen“ Söldnern zu tun haben, die für die Durchsetzung der Interessen einer „christlichen“ Machtelite agieren.

 

Und hier zum Schluss noch einmal der Leitartikler der PRESSE, Christian Ultsch, mit dem Artikel „Plädoyer für die vernünftige Mitte“ am 10. Januar 2015.

http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/4635498/Plaedoyer-fur-die-vernunftige-Mitte

 

Auch Ultsch hatte Saudi-Arabien, dessen Staatsreligion und tödliches Rechtssystem als wenig zuträglich ausgemacht. Er deutete sogar an, dass „Terroristen wie die Kouachi-Brüder“ deren (wahhabitische) Auslegung des Korans quasi exekutiert hätten. Allerdings schaffte er es nicht, die Verbindung zwischen der saudischen Regierung und dem internationalen Terrorismus herzustellen, der eben nicht einfach so geschieht, aus einer Unzufriedenheit heraus, sondern weil dieser geplant für die Interessen einer übergeordneten Elite eingesetzt wird. Damit wären wieder die USA ins Spiel gekommen, und das geht ja gar nicht.


Mittwoch
25
März 2015
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