Bedürftig. Wirklich bedürftig.

Bedürftig – 25. Kandidat: Franz A.

 

Wir wussten nicht, was sich Bernd Bieglmaier, unser Bedürftigenreporter, dabei gedacht hatte, als er diesen Typen zu uns in die Redaktion mitbrachte. Wir fragten ihn aber auch nicht, weil Herr Bieglmaier uns mit einem Schwall von Worten darum bat, diesen Mann unbedingt anzuhören. Seine Geschichte sei der „Hammer“.

Dieser Mann stellte sich uns als Herr Franz A. vor. Er sah ganz normal aus, aber das hatte natürlich noch nie etwas bedeutet. Zumeist war das Gegenteil der Fall gewesen. So auch bei dem Herrn Franz A..

 

1 Franz A. in einem unserer Redaktionsräume.

 

Unser Bedürftigen-Reporter war schon ungeduldig, er brannte förmlich darauf, die Ursache des Erscheinens mitzuteilen. Es drehte sich um eine Stuhltransplantation. Es drehte sich um – was? Wir taten nicht begriffstutzig, wir waren es. Wir alle in der Redaktion. Es war auf einmal so still im Büro, dass das einzige Geräusch von einem Putzlappen stammte, welches unserer Reinigungsfachkraft aus der Hand gefallen war.

Nun wollten wir es natürlich genauer wissen. Wir baten den Herrn Franz A., uns selbst über diese Angelegenheit zu berichten.

Und dann bekamen wir eine rührselige Geschichte zu hören, die uns tief, aber nicht zu tief bewegte. Die Geschichte eines Mannes, der es nie gelernt hatte, etwas mit sich selbst anzufangen. Der sich in seiner Existenz sinnlos gefühlt hatte, überflüssig, nichtsnutzig. Wir hörten uns diese Geschichte an und widersprachen nicht.

Er habe sich dann derartig leer gefühlt, dass ihm sein freundlicher Arzt hatte mit Antidepressiva über seine leeren Runden helfen müssen, so Herr Franz A.. Aber irgendwann habe auch dies nicht mehr gewirkt. Er habe nichts mehr essen können, nicht einmal diese Pillen.

Erst ein anderer Arzt habe den Herrn Franz A . helfen können und ihm eine Stuhltransplantation empfohlen. Die wäre zwar etwas kostspielig gewesen, allerdings höchst erfolgreich. Es wäre dann alles sehr schnell gegangen. Da ‚raus, dort ‚rein.

 

2Franz A. glaubt, dass es ihm nun wieder besser geht.

 

Heute würde er sich gefüllt wieder viel besser fühlen, behauptete er. Herr Franz A. quatschte uns die Ohren voll, wie dankbar er dem Chirurgen wäre und auch wie dankbar seinem Spender, dem Herrn Josef A., einem Obstipations-Patienten des Doktors. Josef A., übersättigt von der Konsumwirtschaft in seiner eingeschränkten Umgebung, habe sich angeblich gerne zur Verfügung gestellt. Er habe sich für 24 Stunden auch besser gefühlt.

 

Dicker Bauch3Foto: Familienalbum von Josef A. (Spender)

 

Das glaubten wir gerne. Warum sich Menschen jede Scheiße aufschwatzen lassen, blieb uns allerdings schleierhaft. Dafür war die Abstimmung in der Redaktion eindeutig. Herr Franz A. wurde aufgrund seiner seelischen Armut zum Bedürftigen des Monats gekürt.

Unser Bedürftigen-Reporter hatte anschließend über sein ganzes Gesicht gestrahlt. Ja, er hatte wiederr einmal richtig gelegen, keine Frage. Unser Mann hat Gespür. Und unsere Reinigungsfachkraft möglicherweise den richtigen Lösungsansatz: der Dreck muss weg.

So ist sie, unsere Elfriede.

 

Dienstag
19
Mai 2015
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