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Paris, Januar 2015. Teil 30.

 

Nach den Attentaten V.

Während die französischen Sicherheitsbehörden und die Medien über die tatsächliche Aufklärung der Verbrechen vom 7. bis zum 9. Jänner 2015, über die Täter während der jeweiligen Taten und über die Zeit danach faktisch äußerst wenig zu berichten hatten, wurde im Gegensatz dazu die Vorgeschichte der Brüder Kouachi und Amedy Coulibaly recht ausführlich dargelegt.

 
Spiegel-Online, 8.1.2015:
Tatverdächtige Chérif und Saïd Kouachi: Kleine Gauner aus der Provinz.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlie-hebdo-wer-sind-die-verdaechtige-a-1012007.html

 

Dieser Artikel zeigt auf, dass die Nachrichtenagenturen und Medien bereits am Tag nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ von den französischen Sicherheitsbehörden mit dem entsprechenden Material gespeist worden waren. Auch wenn wir uns hier wiederholen: als Grundlage konnte zu diesem Zeitpunkt einzig und allein der angebliche Sensationsfund „Ausweis im Fluchtwagen“ dienen, welcher am Abend des 7. Januars bekannt gegeben worden war. Ein Ausweis und gleich zwei, zuerst gar noch drei Tatverdächtige für die mediale Vorverurteilung, die wie vorbereitet schien.

In dem SPIEGEL-Online-Artikel von Raniah Salloum wurden die Brüder Kouachi als „kleine Gauner“ dargestellt, ohne dass der Grund dafür ersichtlich wurde. Offenbar sollten es sich die Leser selbst zusammenreimen, die Gefallen am Denuziantentum haben. Irgendwelche Auffälligkeiten mit kleinkriminellen Hintergrund wurden aber nirgendwo erwähnt.

Der Konflikt mit der französischen Justiz hatte sich demnach erst 2005 für Chérif Kouachi ergeben, als dieser für das Vorhaben, in den Irak zu reisen und sich der Widerstandsbewegung gegen die US-Beatzung anzuschließen, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Ein fundamentalistisches Motiv hatte auch der Anwalt von Chérif Kouachi nicht feststellen können.

In den westlichen Medien wurden fundamentalistische Züge als Grundlage für ein Widerstandsgedanken gelegt, die real gar nicht existieren müssen. Vielleicht hatte Chérif Kouachi einfach nicht mehr tatlos zusehen wollen, wie eine US-Militärmaschinerie ungestraft Länder überfallen und – allein im Irak – hunderttausende Menschen ermorden konnte. Ähnlich soll er sich auch in einem Verhör geäußert haben.

 

Brüder KouachiCherif Kouachi, 32 Jahre, und sein Bruder Said Kouachi, 34 Jahre.

 

Chérif Kouachi scheint seinen Willen ernst genommen zu haben, sonst wäre er nicht von der französischen Justiz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden, wenn auch die Hälfte davon auf Bewährung.

Dies wird auch durch den Umstand deutlich, dass heute, im Jahr 2015, nach wie vor Söldner, Terroristen und „Dschihadisten“ aus ganz Europa vor allem nach Syrien reisen können, um das dortige Land zu zerstören, die loyale Bevölkerung zu ermorden und einen Regierungssturz zu provozieren. Niemand hält sie auf.  Dieses reale Tun wird nicht unterbunden, weil es nicht unterbunden werden soll. Die Verurteilung von Chérif Couachi noch vor der Ausführung seines Vorhabens zeigt somit auf, dass es bei ihm (zu diesem Zeitpunkt) keine schützende Hand durch staatliche Strukturen gegeben hatte. Und das erscheint auch logisch, war sein Ziel doch dem Widerstand gegen die weltweit größte Terrororganisation gerichtet, der US-Oligarchie mit ihren militärischen und geheimdienstlichen Mitteln, zu dessen Vasallen und Handlanger auch der Staat Frankreich gehört.

 

Weitere Artikel von SPIEGEL-Online:

10.1.2015
Pariser Terror-Komplizin Hayat Boumeddiene: Religiös, folgsam, waffenaffin

http://www.spiegel.de/politik/ausland/hayat-boumeddiene-terror-komplizin-des-geiselnehmers-coulibaly-a-1012351.html
14.1.2015
Wichtige Fakten im Grafik-Überblick: Das Terrornetz von Paris.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlie-hebdo-die-verbindungen-der-attentaeter-von-paris-a-1012193.html
16.1.2015
Werdegang der Attentäter von Paris: „Es waren gute Kinder“.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/paris-attentaeter-auf-charlie-hebdo-waren-gute-kinder-a-1013327.html

Und vor allem:
17.1.2015.
Frankreich. Das waren gute Kinder.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131355328.html

 

Diese Geschichten und Schilderungen über die Brüder Kouachi sowie Coulibaly sollen hier nicht großartig kommentiert werden, zumal sie für uns ohnehin nicht nachprüfbar sind. Die Zeichnung von naiven und wenig gebildeten jungen Männern erscheint durchaus glaubwürdig.

Grob lässt sich aber – soweit dies möglich ist – einiges feststellen. Alle drei Männer waren in ihrer Vergangenheit zwar Moslems gewesen, aber nicht fundamentalistisch. Dies war sogar in der österreichischen PRESSE bereits am 9. Januar 2015 zu lesen gewesen. Die Brüder Kouachi hatten ihr Leben durchaus gerne gelebt, mit allem, was dazu gehört. Der Konflikt mit der französischen Justiz entstand erst mit der kolportierten Dschihad- und Al-Kaida-Geschichte.

 
„Hausgemachte Terrorbrüder.“ Rudolf Balmer. 9. Jan. 2015. Presse.
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4634012/Frankreich_Hausgemachte-TerrorBruder

 

Die Information einer Reise von Said Kouachi in den Oman und angeblich weiter in den Jemen stammt aus US-Geheimdienstquellen. Dies ist freilich wenig verwunderlich, weil diese Dienste nicht nur global, sondern zusammen mit den Saudis in dieser Gegend besonders engagiert sind.

Amedy Coulibaly, mehrfach vorbestraft wegen Raubüberfälle und Banküberfall, bewegte sich in kriminellen Kreisen. Irgendeine Spur von Fundamentalismus war bei ihm nicht auszumachen. Diese „Eingebung“ wurde nur über seine Freundin/Frau Hayat Boumeddiene transportiert, die während der Anschläge nicht in Frankreich gewesen, sondern sich angeblich nach Syrien abgesetzt haben soll. Mit anderen Worten: diese Frau war aus dem Spiel. Von ihr blieb nur noch ein Flughafenfoto, auf welchem sie, ohnehin nicht zu identifizieren, nur Kopftuch und keine Burka trug.

 

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Vielleicht war aber die ganze Geschichte ab einem bestimmten Zeitpunkt eine andere, eine weniger offensichtliche gewesen. Die Einflussnahme des im Artikel genannten Farid Benyettou auf Chérif Kouachi erinnert sehr an den deutschen Fall um die sog. „Sauerlandgruppe“, bei welcher dem radikalen Iman Yehia Yousif in Neu-Ulm als Einflüsterer, Anstifter und Organisator eine tragende Rolle zugekommen war. Yousif hatte allerdings für den deutschen Inlandsgeheimdienst gearbeitet, dem „Verfassungsschutz“. Konsequenterweise stand dieser Mann nie als Beschuldigter vor Gericht.

 

Die ganze Al-Kaida-Geschichte ist ohnehin mit Vorsicht zu genießen, weil diese Organisation nicht das ist, wie uns täglich gebetsmühlenartig gepredigt wird. Davon abgesehen, wurde diese Verbindung zu den Kouachis vor allem kolportiert, aber nicht nachgewiesen.

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass bei ungebildeten jungen Leuten durch Medien und Politik die Meinung haften geblieben sein könnte, dass die Organisation „Al Kaida“ gegen die USA etc kämpfen würde. Und es ihren ausgewaschenen Hirnen immer noch nicht aufgefallen sein könnte, dass dies nie der Fall war. Sollte sich Said Kouachi tatsächlich im Jemen aufgehalten haben oder gar bei Extremisten, die sich auf „Al Kaida“ berufen, dann wird er sich unter der Obhut des saudischen Geheimdienstes und der CIA befunden haben. Das heißt nicht, dass dies im Bewusstsein von Said Kouachi verankert gewesen sein muss.

Wie auch immer, das alles lässt viel Raum für Spekulationen. Vor allem Raum auch für die Möglichkeit, dass die Brüder Kouachi sowie Coulibaly zuvor von den französischen Sicherheitsbehörden als V-Leute angeworben worden sein könnten. Irreleitung plus Erpressbarkeit bieten hervorragendes Potential für die Behörden. Coulibaly wurde frühzeitig aus seinem erneuten Gefängnisaufenthalt entlassen, was in Anbetracht seines Vorstrafenregisters wenig plausibel scheint.

Und genau dann, nach der ganzen nun berichteten Vorgeschichte, soll die vorherige Dauerüberwachung plötzlich eingestellt worden sein. Das behaupten achselzuckend die französischen Sicherheitsbehörden. Vertreter der allumfassenden US-Überwachungsbehörden sagen dazu nichts. Die verbündeten Briten auch nicht, obwohl auch deren Dienste zumindest im Bilde waren.

http://rt.com/news/221063-charlie-hebdo-shooting-suspects/

http://rt.com/uk/221203-hebdo-british-watch-list/

 

Eine synchrone Totalabschaltung? Glaubhaft ist dies nicht im geringsten. Vielleicht aber wurde nur die „Überwachung“ abgeschaltet – und nicht die Führung. Groteskerweise zitierte am Morgen des 9. Januar 2015 der französische Journalist Henry Samuel über Twitter eine Quelle, nach welcher der algerische Geheimdienst die französischen Sicherheitsbehörden am 6. Januar vor einen großen Anschlag gewarnt haben soll.

 

Henry Samuel auf Twitter

Aber lassen wir das, das sind alles Dinge, die müssen wir gar nicht wissen…

 

 

Sonntag
21
Juni 2015
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