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Stattkultur statt Stadtkultur

 

Bereits vor vielen Jahren hatten wir uns über die nicht vorhandene Kulturpolitk lustig gemacht und ein kleines Video zu diesem Thema hergestellt und mit dem obigen Titel versehen.

Beißender Spott als Reaktion auf Verunmöglichung scheint auch heutzutage angebracht, denn ernst zu nehmen ist das alles nicht. Wir vom Kulturverein BOLLWERK haben auch leicht lachen, haben wir – von einigen Teilbereichen wie der Beteiligung am Verein Alltagsverlag und Autorenschaften abgesehen – unser Engagement mit der selbst produzierten Kurzfilm-Reihe BANALE und den Medieninstallationen in dieser Stadt beendet und sind nach Wien umgezogen, wo wir mit offenen Armen empfangen worden sind.

Der Vorfall vom vergangenen Sonntag (7. Februar 2016), der keiner war, hat aufgezeigt, wie es in Wr. Neustadt zukünftig zu laufen hat – wenn man dem Artikel in der NÖN folgen darf.

 

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Quelle: NÖN

 

 

Der türkische Verein HAVAS hatte für den genannten Sonntag das Stadttheater angemietet, um dort eine Veranstaltung abzuhalten. Nachdem ein „besorgter Bürger“ im Foyer „Frauen in Burka“ beobachtet haben will, die „Bücher verkaufen“, war die Polizei gerufen worden. Die habe allerdings nichts illegales feststellen können, sondern nur die Verteilung von Notenheften für eine Theateraufführung, wie der Stadtpolizeikommandant Fries vermeldet habe.

Daraufhin habe sich der aktuelle ÖVP-Kulturstadtrat selbst ein Bild machen wollen und tatsächlich Büchertische entdeckt, ohne leider „verifizieren“ zu können, um welche Bücher es sich gehandelt haben könnte. Das bedeutet in Klartext, dass er sie hatte nicht lesen können, weil der türkischen Sprache nicht mächtig. Mißtrauisch gegenüber der vorherigen polizeilichen Überprüfung habe er die Polizei erneut ersucht, „den Sachverhalt genau aufzunehmen.“

Leider wurde weder von Josef Kleinrath, dem Autor des Artikels, noch über Polizei und Stadtrat darüber aufgeklärt, um was für eine Veranstaltung es sich konkret gehandelt hatte. Es war auch nicht die Rede davon gewesen, dass irgendwelche Gesetze gebrochen oder Regelungen mißachtet worden waren. Mit anderen Worten: da war nichts gewesen.

Zur Provinzposse wurde dieser Nicht-Vorfall erst durch den NÖN-Artikel und den dort abgedruckten Zitaten. So wurde der aktuelle Kulturstadtrat zitiert:

„Die Genehmigung wurde innerhalb der Verwaltung abgehandelt. Dieser Vorfall wird von uns zum Anlass genommen, dass künftig keine Einmietungen, die einen politischen und/oder religiösen Hintergrund haben, ohne vorherige Abstimmung mit mir und ohne Definierung der Rahmenbedingungen mehr erfolgen dürfen.“

Das heißt aber nichts anderes, als dass hier ein Grundrecht gebrochen wird. Der aktuelle Kulturstadtrat möchte demnach, dass er als Vertreter der Stadt, die immer weniger als Veranstalter in Erscheinung tritt, eine Vormundschaft über Menschen antreten, die selbst veranstalten und das Stadttheater für viel Geld anmieten. Und er möchte als Stadtrat mit „schwarzen“ politischen sowie katholischen „Hintergrund“ auch einen religiösen und politischen „Hintergrund“ anderer definieren und bewerten – nämlich augenscheinlich negativ. Und das gar ohne weiteren Kenntnisstand, denn den Inhalt der Veranstaltung hatte er laut NÖN-Artikel gar nicht eruieren können.

Peinlicher geht es kaum noch. Diese höchst negative Außendarstellung der Stadt wurde noch um das Gerede von angeblichen „Parallelwelten“ erweitert, die zu „unterbinden“ wären. „Und gerade im Kulturbereich muss ein gegenseitiges Öffnen bewerkstelligt werden können“, soll der aktuelle Kulturstadtrat gemahnt haben, ganz so, als wäre er der Garant für eine derartige Entwicklung.

„Ich hatte nicht den Eindruck, dass hier ein gemischtes Publikum gewesen wäre, um in Dialog zu treten“, wurde der aktuelle Kulturstadtrat zitiert. Hätte er sich unter das Publikum „gemischt“, wäre er anschließend vielleicht schlauer gewesen. So aber blieb nur ein Eindruck, sein Eindruck. Das ist ein beeindruckendes Handeln für jemanden, der angeblich das „Zusammenleben fördern“ möchte. Hier scheinen sich Parallelwelten zu öffnen, die nur bei anderen entdeckt werden wollen, aber nicht bei sich selbst. 

Die gleichen städtischen Akteure haben sich bislang sehr damit hervorgetan, jegliche Strukturen der Jugendarbeit mit ihrem „gemischten und zum Dialog bereiten Publikum“ zu zerschlagen. Von den dort eingesparten Geldern wurde stattdessen mit Christoph Dostal ein Kultur-Gesicht („Schauspieler“) für ein anscheinend üppiges Honorar engagiert, gleichsam einer Fassade für das desaströse Auftreten seiner Freunde.

Die werden es vielleicht auch nötiger haben als zuvor. Nach dem Abdrehen diverser Veranstaltungen und Veranstalter hatten auch die Ersuche des aktuellen Kulturstadtrates an städtische Kulturschaffende, doch bitte umsonst unter schlechtesten Rahmenbedingungen etwas auf die Beine stellen, während Leute von außerhalb mit Honoraren geködert wurden und werden, für Unmut gesorgt.

Einige haben sich bereits abgewendet. Vielleicht werden in dieser Stadt nur noch die Opportunisten übrig bleiben, die bei ihrem Kampf um vermeintliche Pfründe vor allem mit sich selber beschäftigt sind. Hauptsache, wir sind „Landesausstellung 2019″. Oder wie BILD für seine Leser damals titulierte: „Wir sind Papst“.

Vielleicht sind wir auch nur blöd, aber akzeptieren müssen wir es nicht. Weder das eine noch das andere. 

 

 

Donnerstag
11
Februar 2016
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