Das ehemalige Klosterareal der Karmeliter in der Wr. Neustädter Schlögelgasse hatte lange zu den altehrwürdigen städtischen Bauten gehört, welche keinen Spekulationsabsichten zum Opfer gefallen war. Zudem war der Barrockbau der Kirche lange ein optisch stimmungsvoller und auch räumlichen Eckpfeiler der städtischen Nordostecke gewesen.
Foto: Anton-Kurt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Karmeliterkirche_(Wiener_Neustadt)
Der nebenan befindliche 14-geschossige Neubau-Trakt des Krankenhauses, welcher in den Jahren 1977-82 errichtet wurde, gehört zweifellos nicht dazu. Ganz zu schweigen von dem Bauverbrechen in Gestalt eines hässlichen Parkhauses, welches später direkt vor die äußere Stadtmauer gesetzt worden war.
Die Stadtregierungen von Wr. Neustadt haben gerne von sich eine zukunftsorientierte Politik behauptet. Ästhetische und auch historische Gesichtspunkte hatten dabei weniger eine Rolle gespielt als rationale und eher einfältige, geschmacklose Lösungen. Und natürlich hatte das Geld eine Rolle gespielt. Geld, welches die Stadt über ihre Einkünfte erhielt, Geld, welches die Stadt verteilte. Und dann das Geld, das sich innerhalb persönlicher, politischer und geschäftlicher Beziehungen in die Taschen einzelner Nutznießer verschoben hatte – ein allerdings weltweites Phänomen.
Die US-Bombardements in den Jahren 1943-45 sowie die Kriegshandlungen 1945 hatten zwar Wr. Neustadt massiv zerstört, doch hatte diese Zerstörung bereits vorher begonnen, als beispielsweise die Stadttore und ehemalige Befestigungswerke abgetragen oder demoliert wurden, um vorgeblich einer Modernisierung Platz zu schaffen. Die gab es aber nie, jedenfalls keine, welche unserer Ansicht nach die Entfernung einer historischen Identität gerechtfertigt hätte. Das Stadtbild veränderte sich, doch wurde aus einer angeblichen Weitsicht eine nachweislich ausgeprägte Kurzsichtigkeit, aus einer ehemaligen Kaiserresidenz ein unansehnliches Provinzkaff, wie es sich heute uns darstellt.
Was Bomben und Granaten bis 1945 nicht geschafft hatten, wurde später weggeräumt. Natürlich nur unter dem Aspekt der Fortschrittlichkeit. Dazu gehörte, um in der Nähe des Karmeliter-Areals zu bleiben, der besonders massiv gebaute Deutsch-Herren-Turm von der alten Stadtbefestigung, der alle Not überstanden hatte, dann aber wegen dem Bau des Krankenhauses abgetragen wurde. Westlich davon wurde ebenfalls geschliffen und die Grazer-Straße angelegt. Die damalige Stadtregierung war so „modern“ gewesen, den Verlauf einer Bundesstraße durch die Stadt zu führen, was heute niemand mehr will. Die vollkommen sinnlose Demolierung und Zerstörung der alten Stadttore samt umliegende Bereiche, um einen zweispurigen Autoverkehr für eine lächerliche Strecke zu ermöglichen, der später wieder verbannt wurde, war bereits vergessen. Seit kurzem ist auch der Abriss eines alten und schönen Wohnhauses aus der Biedermeierzeit am Anfang des Eyersberg-Rings beschlossen. Wir wissen noch nicht ob die geplante neue Wohnanlage optisch dem Parkdeck angeglichen wird.
Um es nicht misszuverstehen. Wir haben nichts gegen Fortschrittlichkeit. Aber wir haben etwas gegen Inkompetenz und Geschäftemacherei, was als Fortschritt verkauft wird.
Es wäre eine eigene Abhandlung wert, sämtiche alte Bausubstanz zu beschreiben und zu benennen, welche seit 1946 vernichtet worden ist. Da diese nicht einmal halbwegs durch eine homogene Bebauung ersetzt wurde, versteht sich eine sukzessiv voranschreitende Zerstörung des Stadtbildes von selbst, wie auch an der Südseite der Stadt festgestellt werden kann. Der Bau eines mehrgeschossigen Hotels am Rande des Stadtparks im 70er-Look wird sicherlich gut mit den Gebäuden von „Leiner“ und der „EVN“ harmonieren.
Die nordöstliche Ecke der Stadt mit dem Parkdeck vor der Stadtmauer und der Verlauf der Grazer-Straße in die Innenstadt zeigt anschaulich, was ein angeblicher Fortschritt und die in der Vergangenheit dafür zuständigen Stadtregierungen angerichtet haben: ein Stadtszenario, welches als Ostblock-Design verspottet wird, hässlich, öde und durch Dieselabgase verdreckt. In den Innenstädten des ehemaligen „Ostblocks“ schaut es mittlerweile besser aus, was an dieser Stelle erwähnt sein soll.
Doch zurück zur Karmeliter-Kirche und dem ehemaligen Klosterareal, welches sich bis zum Jahre 2007 im Besitz der Stadt befunden hatte. Im Osttrakt der Anlage befand sich die Verwaltung des Krankenhauses, während im Süd- und Westtrakt neben dem Stützpunkt des Bürgerkorps eine Reihe von Sozialwohnungen untergebracht gewesen waren. Die Kirche selbst beherbergte mehrere Vereine wie den Männergesangsverein, die Naturfreunde, das Mineralien-Museum, Denkmalschutz, Fotolabor, Fotostudio, eine Mietwohnung sowie im Erdgeschoss den Gedenkraum des verstorbenen Künstlers Kurt Ingerl. Und zu guter Letzt hatte sich im Kirchenschiff ein für kulturelle Veranstaltungen geeigneter großer Raum befunden. Dieser ist sogar mit einer Fußbodenheizung ausgestattet, was – im Gegensatz zu St Peter an der Sperr – auch eine Bespielung in den kalten Monaten ermöglicht hatte.
Bekannt ist, dass die Stadt Wr. Neustadt das städtische Krankenhaus per 1. Januar 2008 an das Land NÖ abgegeben und dort in die Landeskliniken-Holding eingegliedert wurde. Das war vor allem wirtschaftlichen Gründen geschuldet gewesen, da das defizitäre KH das Budget der verschuldeten Stadt stark belastet hatte.
Der Grund, warum das Karmeliter-Areal ebenfalls an das Land abgegeben wurde, ist hingegen weniger deutlich und konnte bislang von uns nicht zufriedenstellend eruiert werden. Eine Ursache wird in der Sanierungsbedürftigkeit zu suchen sein. Das oberste Geschoß der Kirche war bereits gesperrt worden, nachdem sich Risse im Gemäuer gebildet hatte.
Die Abgabe der Kirche und der übrigen Gebäude an das Land NÖ hatte nicht überall Zustimmung gefunden, vor allem nicht in der städtischen Kulturlandschaft. Denn es hatte erst einmal den Verlust einer Ausstellungsräumlichkeit bedeutet, was schwer wog, da die Stadt nur noch über eine einzige weitere verfügte, die zudem nicht geheizt werden konnte. Es bedeutete natürlich auch den mittelfristigen Verlust weiterer Räumlichkeiten jener, die mit Kulturarbeit zu tun hatten. Ebenso blieb der Umstand schleierhaft, warum keine alternativen Lösungen angedacht wurden, um das Areal beispielsweise einer verbesserte kulturellen Nutzung zuzuführen. Fast jedes Dorf um Wr. Neustadt herum besitzt ein eigenes Kulturhaus, die Stadt dagegen nicht. (Abgesehen vom „Triebwerk“ für Jugendkultur). Initiativen hätten mit eigenen Mitteln zu einer Sanierung des Karmeliter-Areals beitragen und gleichzeitig dringend benötigte Produktionsstätten aufbauen können.
Doch nichts davon. Dieses Nichts war womöglich die logische Konsequenz einer nicht vorhandenen Kulturpolitik, deren Sinnhaftigkeit bei den Verantworlichen nie Eingang in die Gehirnzellen gefunden hatte. Von einer kulturpolitischen Entwicklung der heimischen Szene sprechen wir hier noch nicht einmal. Wir gestehen durchaus zu, dass nicht jeder dazu befähigt ist, merkwürdigerweise aber auf den verantwortlichen Stühlen nur eben diese Personen einen Platz finden.
Stattdessen wurde nicht nur das Krankenhaus, sondern auch weitere Liegenschaften um dieses herum dem Land übergeben, einschließlich dem gesamten Karmeliter-Areal. Für 1,- Euro, für den symbolischen 1,- Euro.
Es entstand der Eindruck, dass hier abseits jeglicher Inspiration, Vision und Kompetenz eine Liegenschaft verschleudert worden war, welche die Stadt hätte sinnvoll selbst nutzen können. Und wenn schon nicht die geistlose Stadtregierung selbst, dann doch wenigstens ihre Bürger. Die wurden allerdings nicht gefragt.
Das Land NÖ bzw. die Landeskliniken-Holding adaptierte in der Folgezeit zumindest einige der Wohnungen in den ehemligen Klostertrakten, während es bezüglich der Kirche vorerst keinen Plan zu geben schien. Jahrelang geschah dort nichts.