Blog

Forscher des Tages: der Kommunikationswissenschaftler im KURIER

 

Der KURIER hatte am 2. Mai 2018 ein Interview ausgerechnet auf der Kulturseite deplatziert, in welchem versucht wurde, Massenmedien als einen Hort der Seriösität darzustellen; das heißt, es wurde versucht, gegen den Verlust der massenmedialen Deutungshoheit anzukämpfen.

Bereits das vorangestellte Foto, eine Papierhaube mit dem verzerrten Konterfei des US-Präsidenten Trump und dem Begriff „Lügenpresse“ auf dem Kopf eines Demonstranten, hatte einen manipulativen Charakter. Die Koppelung Trump/Lügenpresse wurde durch die Überschrift des Artikel noch verstärkt:

„Je extremer, desto mißtrauischer.“

https://www.pressreader.com/austria/kurier/20180502/281517931741213

https://kurier.at/kultur/warum-fpoe-waehler-medien-oft-misstrauen/400029223

 

Kommunikationswissenschaftler E.

Quelle: Screenshot vom KURIER-Artikel, online, 2. Mai 2018.  

 

Hier sollte suggeriert werden, dass offenbar irgendwie extreme Menschen oder Menschen mit extremen Auffassungen besonders misstrauisch sein würden, also in etwa wie Trump. Hier wurde eine komplexe Angelegenheit, die Bekämpfung von Trump durch die dem Clinton-Lager zugehörigen Massenmedien sowie Trumps öffentliches Abwehr-Gebaren, auf ein unsachliches, primitives Minimum reduziert.

Welche Botschaft sollte mit der obigen Behauptung transportiert werden? Zum Beispiel jene, dass misstrauische Menschen angeblich auch extreme Menschen sein würden? Und wie begründete sich und äußerte sich dieses Misstrauen wem genau gegenüber?

Und wollte uns die Überschrift vielleicht auch indirekt via Umkehrschluss darüber Auskunft geben, dass jene Menschen, die grundsätzlich nicht misstrauisch sein würden, eher gleichförmig, angepasst und naiv sein würden? Davon war allerdings nirgends etwas im Artikel zu lesen, das heißt, der Widerpart fehlte gänzlich und entwertete somit eine aufgestellte These von Beginn an.

Nach dem ersten Manipulationsversuch mit Hilfe von Foto und Überschrift wurde darauf wert gelegt, dass es sich bei dem Folgenden um eine „Forschung“ handeln würde. Die Unterzeile gab schließlich über das angebliche Forschungsergebnis Auskunft:

„Forschung. In Österreich haben FPÖ-Wähler wenig Vertrauen in Medien, in Großbritannien ist das ein linkes Phänomen.“

Da haben wir es schon, jetzt wissen wir, wer zu den Extremen und Misstrauischen gehört: der FPÖ-Wähler in Österreich und die „Linken“ in England. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass „Linke“ in Österreich kaum vertreten sind und die FPÖ in England gar nicht.

Wer gelangte nun wie zu dieser Erkenntnis? Und was in unseren Augen doch besonders spannend sein sollte, war die Frage nach der Ursache für ein Misstrauen, also dem grundsätzlichen Anliegen einer richtigen Forschung.

Als Interviewpartner und Forschungsmensch wurde ein gewisser Jakob-Moritz Eberl präsentiert, ein – laut Vita – an der Uni Wien tätiger Kommunikationswissenschaftler. Dieser hatte eine Doktorarbeit abgeliefert, welche online leider nur bezahlpflichtig einzusehen ist. Daher müssen wir uns auf das Interview beschränken.

https://www.degruyter.com/view/j/comm.ahead-of-print/commun-2018-0002/commun-2018-0002.xml

 

Nina Oberbucher vom KURIER befragte den Wissenschaftler. Wissenschaftler klingt gut, Wissenschaftler forschen.

„Viele meinen, dass Medien zu einseitig berichten und politisch beeinflusst seien. Warum ist das so?“

Frau Oberbucher hielt sich angenehm zurück. Nicht sie meinte, sondern viele, also andere, denn sie selbst kann kaum ihre eigene Meinung offen legen. Die Meinung dieser vielen Menschen lässt sich nachvollziehen, also machte die Frage Sinn. Interessant war hier die Antwort von Eberl, dem forschenden Wissenschaftler:

„Medienvertrauen hat meist wenig mit den tatsächlichen Inhalten der Berichterstattung zu tun. Vor allem Personen, die extreme politische Einstellungen vertreten, nehmen Medien eher als parteiisch wahr.“

Das ist eine interessante Behauptung, die Eberl hier präsentierte. Denn seiner Meinung nach soll Misstrauen einer Gesinnung, einer Ideologie, einer „extremen politischen Einstellung“ geschuldet sein, welche der „Forscher“ im FPÖ-Milieu und bei „Linken“ verortete. Diese beiden Gruppen waren hier zweifellos eher negativ beurteilt wie auch der Begriff „Misstrauen“ kaum als wertfrei bezeichnet werden kann.

Der neutrale Begriff „Kritik“ wurde von Eberl nicht verwendet, denn dies hätte dessen Meinung einen anderen Anstrich verpasst. Gegenüber Medien kritisch eingestellte Menschen wären in diesem „erforschten“ Fall vor allem bei der FPÖ-Wählerschaft und den „Linken“ zu finden gewesen.

Bei einer FPÖ- sowie einer politisch eher links eingestellte Wählerschaft handelt es sich allerdings nicht um eine homogene Gruppe. Die FPÖ hatte zuletzt erheblichen Zulauf aufgrund einer umfangreichen Protestwählerschaft bekommen, die Partei „Die Grünen“ wiederum vertritt innenpolitisch eher als links bezeichnete Ansichten, außenpolitisch dagegen rechts.

Für den Forscher Eberl, welcher offenbar innerhalb eines anderen Milieus agiert, waren in den beiden genannten Gruppen die extremen politischen Einstellungen zu finden, ohne dass in dem Interview das Extreme weiter definiert wurde.

Eberls Behauptung könnte demnach in eine Richtung interpretiert werden, in welcher pauschal FPÖ-Wähler oder jene von eher linksorientierten Gruppierungen zu den kritischen Menschen gehören, alle anderen aber zu den unkritischen und gutgläubigen. Doch lässt sich das bestätigen?

Forscher Eberl hatte jedenfalls seine eigene Auffassung dazu, die bedenklich schlicht anmutet:

„Denn die ausgewogene Darstellung eines Ereignisses oder Themas ist so weit von ihrer eigenen Wahrnehmung entfernt, dass sie diese als parteiisch ansehen.“

Mit anderen Worten: Eberl hält die FPÖ-Wähler (und sekundär auch „Linke“) für beschränkt, für wahrnehmungsbeeinträchtigt. Und weil diese Beschränkten in ihrer eigenen Wahrnehmung verhaftet sein sollen, würden sie – trotz aller Rückständigkeit ganz konkret – massenmediale Inhalte als parteiisch ansehen.

Diesen Schwachsinn möchte „Forscher“ Eberl (und aus interessierten Gründen der KURIER) als „Wissenschaft“ verkaufen. Die zentrale Frage wurde erst gar nicht gestellt: warum wurde das Vertrauen in die (Massen-)Medien erschüttert? Und um welche Inhalte war es bei der Kritik („Misstrauen“) gegangen?

Statt einer Analyse der Ursachen hatte Eberl, der Forscher, nichts weiter anzubieten als eine neue Behauptung, als würde es sich bei seiner Person um einen besonders naiven Idioten handeln. Diese Behauptung, dass in den (Massen-) Medien eine „ausgewogene Darstellung eines Ereignisses oder Themas“ zu finden sein würde, bildete die Grundlage seiner unwissenschaftlichen These.

Natürlich sind die Massenmedien parteiisch, das ist allein schon ihrer Struktur, den Nachrichtenkanälen, den Geldgebern und den politischen Verflechtungen geschuldet. Bei innenpolitschen Themen eingefärbt, bei außenpolitischen Themen der transatlantischen Agenda verpflichtet. Dies lässt sich tagtäglich nachweisen.

In dem gesamten Interview wurde die Frage nach den Ursachen für „Mistrauen“ peinlich ausgeklammert. Eberl zeigte sich fixiert auf die FPÖ-Wähler, ohne deren Motivation zu eruieren. Es ging ihm alleine um die Darstellung, diese als Dumpfbacken abzufertigen, welche ihr „Misstrauen“ auch noch allein von der Partei FPÖ quasi vorgekaut bekommen würden.

„Ja, das liegt unter anderem daran, dass es ihnen von ihrer Partei so kommuniziert wird.“

So sollen sie sein, die FPÖ-Wähler. Zuerst „misstrauisch“ wie der Bauer gegenüber dem nicht bestellten Versicherungsmakler, dann plötzlich an den Lippen von mittelmäßigen FPÖ-Gurus hängend. Beschränkt eben.

Zum Glück gehören wir nicht dazu.

Der hier vorgestellte angeblich forschende Forscher hielt mit seinen eigenen Wahrnehmungsdefiziten nicht hinter dem Berg. So wollte er das „Medienmisstrauen“ vor allem 2015 ausgemacht haben, mit der „Flüchtlingsbewegung“ und der „Pegida-Bewegung“ als Höhepunkt. Die übergreifende kritische Wahrnehmung gegenüber den Massenmedien begann allerdings deutlich bereits 2011 während des Krieges der NATO gegen Libyen, gefolgt von dem Nazi-Putsch in der Ukraine, der Hetze gegen Russland und der penetranten Kriegspropaganda gegenüber Syrien.

Eberl versuchte sich in dem Interview noch besonders lächerlich abzusichern:

„Das Problem ist: Die eigene, oft sehr emotional aufgeladene Meinung wird nie dem entsprechen, wie ein Journalist berichtet.“

So einfach können die Dinge sein, jedenfalls bei Eberl. Die einen, die „Extremisten“, mit erhitzter Meinung, der „Journalist“ mit einem Bericht – und beides kann nicht zusammenpassen.

„Denn Medien sollten verschiedene Standpunkte zeigen, abstrahieren und das große Ganze sehen.“

Da hatte Eberl ausnahmsweise recht, doch leider verschwieg er, wie es in der Realität aussah. Das interessierte diesen „Forscher“ nicht, denn seine vorgefertigte Meinung beschränkte sich abermals nur auf eine Gruppe von Beschränkten, zu welcher er nicht gehören will. Beschränkt sollen die anderen sein, nicht der „Wissenschaftler“:

„Das kommt bei Menschen mit extremen Einstellungen nicht gut an.“

Auch an anderer Stelle zeigte „Wissenschaftler“ Eberl seine Beschränkungen auf. So versuchte er die Massenmedien als qualitativ wertvoll und vertrauenswürdig zu verkaufen, um gleichzeitig „alternative“ Medien als parteiisch und amateurhaft hinzustellen. Oder er redete von einer gewissen und erwünschten Medienvielfalt, weil diese angeblich nicht gleich sein würden, ignorierte aber den Umstand, dass diese Medien tatsächlich gleiche Inhalte zu verkaufen trachteten.  Eberl konterkarierte sein eigenes Gerede, indem er „alternative“ Medien nicht in dieser Vielfalt einen Platz geben wollte.

Forscher Eberl hatte augenscheinlich eine Gefälligkeitsarbeit abgeliefert, um in den gut bezahlten massenmedialen Rattennestern willkommen geheißen zu werden und dort sein warmes Auskommen zu finden, zum Beispiel als „Experte“. Jakob-Moritz Eberl ist eine Beleidigung für jeden echten Wissenschaftler, der forscht und sich nicht verkauft.

 

 

Samstag
05
Mai 2018
This entry was posted in Blog, Neuigkeiten. Bookmark the permalink.

Comments are closed.