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Straßburg 2018. Teil 2.

 

Am Vormittag des darauffolgenden Tages, dem 12. Dezember 2018, wurde der angebliche Verdächtige in Gestalt eines Chekatt Chérif nun auch in offiziellen Quellen nicht nur als dringend Tatverdächtiger öffentlich präsentiert und zur Fahndung ausgeschrieben, sondern gleich seine komplette kriminelle Vita von den frz. Polizeibehörden mitgeliefert.

Chekatt Fahndung

Auch dieser Vorgang einer Polizei, medial eine Vorverurteilung des hingestellten Verdächtigen zu bestellen, ohne gleichzeitig einen Beweis für eine Behauptung vorzulegen, hatte Parallelen zu reichlich dubiosen Attentaten wie „Charlie Hebdo“, „Bataclan“, Brüssel oder Berlin. Der Konsument der durch die Massenmedien verbreiteten Mitteilungen durfte sich somit die Meinung der Behörden zu eigen machen, dass es sich um Chérif um einen „schlimmen Finger“ handelte, dazu um einen Araber algerischer Abstammung. Und somit um einen vermeintlich plausiblen Täter.

Der Vorgang zur angeblichen Identifizierung, dass es sich bei Chérif um den Attentäter gehandelt haben soll, wurde immer noch nicht erzählt. Stattdessen erhielt die Geschichte über den gescheiterten Festnahmeversuch in seiner Wohnung einen Baustein hinzu. Angeblich will die Polizei darin eine geladene Faustfeuerwaffe, einige „Messer“ und „Granaten“ gefunden haben, aus denen dann eine Granate, Munition und vier Messer wurden, zu denen sich wahlweise ein „Gewehr“ gesellte.

Obwohl auch medial über das Motiv des Attentäters keine Antwort herbeispekuliert werden konnte, wurden bereits Brocken gestreut, welche einen islamistischen Hintergrund zumindest in Erwägung zogen. So gab es Gerüchte über Zeugen, die ein angebliches „Allahu Akbar“ des Attentäters gehört haben wollen. Da wurde davon geredet, dass Chérif Chekatt (und auch sein Bruder) als angeblich islamistisch radikalisiert „gegolten“ hätten, wenn auch nur bei den französischen Behörden.

Diese vermeintliche Radikalisierung sei angeblich im Gefängnis geschehen, worüber eine eigene Akte angelegt worden sein soll („Fiche S“, Gefährder für Nationale Sicherheit). Also dort, wo unter Aufsicht der Justiz auch vorherige Attentäter ihren wahren Willen erkannt haben wollen. Die Behörden wollten sich in ihren Mitteilungen noch nicht auf einen islamistisch motivierten Anschlag festlegen, tendierten aber bald doch dazu, ohne dass eine Grundlage dafür existierte. Letztlich war es auch egal, was die Tat selbst anbelangte, denn es fehlte neben dem Täter auch das Motiv. Alles andere konnte nur Gerede sein.

Die Süddeutsche Zeitung hatte dann online etwas zur Identifizierung des Attentäters zu melden. Der Mann wurde anhand von Aufnahmen von Sicherheitskameras identifiziert“, hieß es dort. Diese Behauptung wurde allerdings nirgends verifiziert und ist aufgrund der Gegebenheiten wie dem Zeitfaktor, Dunkelheit, Winterkleidung, Dutzendgesichter innerhalb zweier Stunden schlichtweg auszuschließen. Der Raum des Verschwindens und gegebenfalls die Art und Weise hätten dagegen in den folgenden Stunden ausgeforscht werden können, allein das war offenbar kein Thema, hätte aber eines sein müssen.

Bilder von Überwachungskameras gab es für die Öffentlichkeit kein einziges, obwohl das Erscheinungsbild und die genaue Kleidung des mutmaßlichen Täters eine Fahndung zweifellos unterstützt hätte. Handelte es sich hierbei um ein unprofessionelles Versäumnis oder um eine Fluchtbegünstigung für den Täter?

SPIEGEL-online jedenfalls zitierte den Fahndungsaufruf der Polizei. Unter anderem mit den Worten: „Er trage die Haare kurz und habe eventuell einen Bart.“ Nun gut, zumindest trug der Mann auf dem Polizeifoto seine Haare kurz, aber mit dem Bart war sich die Behörde offenbar unsicher. Das bedeutete nichts anderes, als dass kein aktuelles Bild von Chekatt Chérif existierte, auch nicht von einer Überwachungskamera.

Bevor der durchschnittliche Franzose in der Lage war, den bisherigen Sachverhalt und auch das Versagen der Sicherheitskräfte zu erfassen, durfte er sich mit einer neuen von den Behörden ausgeplauderten Information befassen. Dir Polizei wollte herausgefunden haben, dass der mutmaßliche Täter mit einem Taxi entkommen sein soll.

Die Medien transportierten diese Mitteilung mit den Worten, dass Chérif Chekatt in einem Taxi geflüchtet sei. Es hieß auch, er habe ein Taxi gestohlen, woanders wiederum „gekapert“.

Am Nachmittag waren die Medien von den Sicherheitsbehörden mit einer neuen Person gefüttert worden, mit einem Taxifahrer – d e m Taxifahrer.

Die Vorstellung, dass der Täter sich einfach in ein Taxi gesetzt und davongefahren sein soll, mutet kurios an. Eben noch eine angebliche Schießerei mit Soldaten und auf seinen Fersen befindlicher Polizei, also im direkten Sichtkontakt innerhalb einer überschaubaren Distanz, dann die Dreistigkeit, einfach in ein herumstehendes Taxi zu steigen und zu verschwinden. Vollkommen unbemerkt in der von Verkehrshindernissen geplasterten Altstadt, welche den Fahrzeugverkehr regulieren. Über eine der Brücken, wo offenbar freie Fahrt gewesen sein soll.

Was soll das gewesen sein? Doppeltes Glück für den vermeintlichen Täter? Für die frz. Polizei schien es sich um keine „Panne“ gehandelt zu haben, sondern um eine Erklärung des Verschwindens.

Französische Medien reichten die Verlautbarungen der Behörden weiter, nachdem dieser Taxifahrer in seinem Funk-Fahrzeug eine Verwundung seines Fahrgastes am linken Arm festgestellt haben will. Angeblich soll es sich in das Viertel Neudorf, gleich südlich der Altstadt, fahren lassen. Demnach in das ihm bekannte Heimatviertel, quasi nach Hause, „nicht weit von einem Polizeiposten“. Nebenbei soll der dem Taxifahrer unbekannte Fahrgast aus einer uns unbekannten Laune heraus erzählt haben, dass es sich bei ihm um den Killer handeln würde. Der Mann soll demnach ein Geständnis abgelegt haben.

Der Taxifahrer habe sich natürlich daraufhin an die Polizei gewendet, was nachvollziehbar erscheint, und ihnen von dem angeblich Erlebten erzählt. Die Aussagen des Taxifahrers hätten es der Polizei ermöglicht, den mutmaßlichen Attentäter mit der Razzia am Morgen in Straßburg in Verbindung zu bringen und zu identifizieren“, hieß es dann unter anderem bei „ZEIT-online.

Wie dieser Rückschluß erfolgt sein soll, wurde nicht genannt. Doch nun wurde deutlich, dass zwischen der herausposaunten angeblichen Polizeipanne um die mißlungene Verhaftung am Vortag, die wegen schlechter Reputation für die Polizei auch hätte unterdrückt werden können, und dem Taxifahrer ein Zusammenhang bestand: es war das Konstrukt einer Identifizierung innerhalb zweier Stunden. Die vorab platzierte „Polizeipanne“ sollte so offensichtlich den Logikschluß ermöglichen, denn ohne diese Platzierung wäre Erklärungsnot angesagt gewesen.

Da hätte der unbekannte Fahrgast neben seinem Geständnis auch seinen Namen oder besser noch: seinen Ausweis hinterlegen müssen. Wie wir wissen, haben diese Formen der „Identifizierung“ mittlerweile massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Das ist auch gewissen „Sicherheitsstrukturen“ in Frankreich bekannt.

Freitag
21
Dezember 2018
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