Der folgende Teil zum Thema „Mobilität“ nennt sich „Wiener Neustadt & Regionen“ und ist in dem hässlichen Anbau außerhalb der Kasematten untergebracht. Dieser der alten Architektur vorgesetzte Bau, welcher die südliche Schauseite zerstört, hat von den Veranstaltern oder von der Marketing-Abteilung den Namen „neue Bastei“ erhalten. So unter anderem nachzulesen in dem Werbe-Text „Bewegende Momente“.
Nun hat dieser Anbau aber auch wirklich nichts mit einer Bastei zu tun, weil sie nicht danach ausschaut, weil sie sich nicht an dem Platz einer Bastei befindet und weil sie absolut nichts mit deren ehemaligen Funktionen zu tun hat. Es ist einfach nur ein sinnentleerter Name für irgendetwas, als würde man aus dem Wasserturm einen Bergfried oder aus der Grazer Straße eine Flaniermeile zu konstruieren versuchen. Lächerlich.
Bereits beim Eintreten in die Halle ist man zweifellos überwältigt von der kostspieligen Pracht, die sich vor einem entfaltet. Und vom Kitsch, aber das ist bekanntlich Geschmackssache. Originell schien es durchaus zu sein, Buch-Attrappen als Kulissen zu verwenden, wenn auch die kindische, deplatzierte Auslegware einen unangenehmen Kontrast vermittelte.
„Bücher“ erzeugen grundsätzlich auch heute noch das Gefühl von Bildung. Doch Buch ist nicht gleich Buch. Bei einem Buch handelt es sich erst einmal um eine formale Einheit, in welchem alles stehen kann. Seitens einer visuellen Betrachtung geht es zuerst um eine Wahrnehmung und einem Gefühl dazu.
Eine Schauwand beschäftigt sich ein wenig mit dem früheren Postwesen. Es gibt dazu Video, einen Audio-Beitrag und man kann eine Schublade aufziehen und den Inhalt entdecken.
Ein anderes „Buch“ befasst sich ein wenig mit dem Wiener Neustädter Kanal und den damaligen Lasttransporten. Bilder, Artefakte und ein kleines Modell geben zusammen mit einigen Schlagwörtern in 12 Sekunden umfänglich Kenntnis.
Das Sujet „Missionare entdecken die Welt“ gibt dagegen Rätsel auf. Offenbar soll hier fröhliches Entdeckertum – hach, und so mobil! – verkauft werden, wohinter sich allerdings Machtansprüche sowie die Unterwerfung und Ausbeutung anderer Völker verstecken. Gruselig.
Beängstigend schlecht auch das Schlagwort-Sujet „Grenzen überwinden“, bei denen es nur um jene räumlichen geht. Da ist man unterwegs auf „altertümlichen Handelspfaden“, da wird Wein getrunken, es werden nach Ungarn Freundschaften gepflegt und die Puszta besucht. Das ist lieb, das ist voll mobil – und nichtssagend.
Nur ein klitzekleiner Bereich – aber immerhin – deutet an, dass beim Nachbarn in Ungarn nicht alle mit den lustig-umtriebigen Österreichern einverstanden gewesen waren. Dem werden aber sofort „die edlen Tropfen der Wiener Neustädter“ entgegengehalten. Alkohol schafft offenbar Glückseligkeit.
Auffallend ist die Konzentration von historischer „Mobilität“ im Freizeitbereich einer ganz kleinen Bevölkerungsgruppe. Wer es sich damals leisten konnte, konnte außerhalb der eigenen vier Wände an einer „Abend-Unterhaltung“ teilnehmen.
Die Zeit von Biedermeier und der neuen deutschen Romantik werden in einem weiteren Sujet verkörpert. Es herrscht die pure Wanderslust.
Zur ehemaligen „Sommerfrische“ gehören Schauplätze wie der Semmering, die Rax und der Schneeberg, das alles in selbst definierter „feiner Gesellschaft“. Die anderen bleiben außen vor.
Lässig sind jene, die mit dem Auto statt der Bahn anreisen konnten. Freizeit und Luxus, das ist eine schöne Kombination.
Alternativ dazu ein wenig internationales Flair während der Monarchie, als Österreich noch „groß“ gewesen war. Trieste, welches zum „Tor der Welt“ verklärt wird, ebenfalls als Ort für gut Betuchte. Sehen und gesehen werden. Abseits des großen Marine-Stützpunktes.
Es gibt noch einige kleinere Sujets zu sehen, die, wie ein Modell der Wehrkirche von Krumbach, wie die ehemalige Klinik in Feichtenbach oder wie ein herrschaftlicher Stuhl in Reichenau, nichts mit Mobilität zu tun haben.
Für uns war dieser zweite Ausstellungsbereich ebenfalls eine Enttäuschung. Der Eindruck, dass die Veranstalter untere Schulklassen als Zielgruppe anvisiert haben müssen, konnte nicht widerlegt werden. Die Geschichte von Mobilität im Kontext „Wiener Neustadt & Regionen“ wird nicht erzählt. Es ist nur regional, nur oberflächlich und zudem auf einen Zeitraum von rund 120 Jahren beschränkt. Es fehlt etwas, was gerne als „roter Faden“ bezeichnet wird.
Auffallend die sprachliche Dürftigkeit, die bebilderten Schlagwörter in eher kindlicher Dekoration. Ebenso auffallend die Fokussierung auf „Lifestyle“, auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht, ohne – zum Beispiel – einen Zusammenhang zwischen Mobilität und Einkommen auch nur zu erwähnen. Was wir in der Halle vorgefunden haben, war weder Geschichte noch Erzählung, es waren Fragmente einer einseitigen Sicht. „Bücher“ als Kulisse verkamen hier als Symbole zu einer reinen Staffage, zu einer bloßen Dekoration, welcher die Inhalte fehlten.