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Vom Leben im ganz Falschen – Zum 50. Todestag von Theodor W. Adorno. Teil 1

 

Schattenkabinett-v-Plato---

 

Von „Archimbaldo“.

 

Gefährlich wird’s dann, wenn der Unterschied zwischen veröffentlichter Meinung und öffentlicher Meinung zu groß wird, wenn klassische Medien sich mit anderen Themen auseinandersetzen als für die Bevölkerung relevant ist, das ist sicher eine problematische Entwicklung.“

Sebastian Kurz 2019 ( in einem Interview mit ARTE )

 

Im Spätkapitalismus neoliberaler Prägung, wie wir sie gerade in Wiener Neustadt besonders deutlich am eigenen Leib erfahren, wird alles über die Geldschiene gespielt, um die systemische Unterdrückung, Ausgrenzung von Minderheiten und das Vorantreiben einer Zwei-Klassen-Gesellschaft nicht allzu offen darbieten zu müssen. Politische Unterdrückung wird damit „ausgelagert“, wird an die Ökonomie verschoben in der Hoffnung, sie damit weniger erkenntlich zu machen.

Man lässt dabei die offizielle Diktion möglichst neutral erklingen, geht zusehends dazu über, Politik weitgehend zu personifizieren („Komitee für Bgm. Schneeberger“, nicht für die ÖVP, Personenkult um Sebastian Kurz) ), um Inhalte eher zu verbergen und Absichten nicht offen präsentieren zu müssen. Man gibt diese heiklen Bereiche elegant ab, zerstückelt sie zudem in viele kleine Teile, so dass das Gesamtbild nicht mehr deutlich zu erkennen ist.

So wird vermehrt versucht, selbstverständliche Notwendigkeiten und sogar Rechte des einzelnen zu Privilegien umzudeuten, und Güter des täglichen Bedarfs, wie etwa Brot, schrittweise zu Luxusgütern zu stilisieren. Dies wird zumeist mit dem medialen Dauerterror einer völlig entfesselten und schamlos ungezügelten Werbeindustrie erreicht, die uns tagtäglich Probleme einreden, die an sich keine sind, und ein Qualitätsbewusstsein antrainiert, das völlig überzogen, ja dekadent ist, und die verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung permanent über Neid gegeneinander ausspielt.

Durch lächerlichen, ja meist infantil anmutenden Markenfetischismus wird zudem immer aggressiver versucht, eine Ersatzkultur zu etablieren, die wirkliche Werte in den Hintergrund stellt, jeden Tand als wertvoll, jeden Blödsinn als edel und es zudem normal erscheinen lässt, das oft letzte Geld dafür auszugeben. Willenloses Tanzen nach der Pfeife der Industrie, ungenierte Huldigung eines primitiven Materialismus, aufgesetztes Glaubensbekenntnis eines vermeintlichen Privilegs als Füllstoff für eine geschickt umgeleitete Leere und Hoffnungslosigkeit.

Dieser „Rausch“ treibt seltsame Blüten, denn solcherart „Konsumisten“ verschulden sich häufig, um Dinge zu kaufen, die sie nicht benötigen, die sie sich nicht leisten können, um in einer Absurdität gerne Menschen zu beeindrucken, welche sie nicht mögen. Ein irrwitziger Kreislauf, der sie immer tiefer in die Abhängigkeit des Systems führt, sie immer angreifbarer und abhängiger macht. Immer dreister werden Spiel-, Konsum-, Sex- und Drogensucht als normal hingestellt und vielfältig öffentlich propagiert und zur Teilnahme daran aufgefordert. Und deren Teilnahme, ähnlich wie in einem System der USA, als freiwillige Wahlmöglichkeit, als Mitbestimmung am eigenen Schicksal, als persönliche Freiheit verkauft wird.

Die Umstände lassen sich nicht nur auf die Gruppe der Angepassten beschränken. Einst wollten sich die Deliquenten aus Trägheit und Mangel an Neugierde in Platons Schattenkabinett den Weg ans Licht ersparen, heute gibt es die sog. „demokratischen Wahlen“, um auf politische Geschicke einen gewissen Einfluss zu nehmen.

Platon hätte womöglich nie daran gedacht, jemals seinen nur durch Schatten beschäftigten und in ihrer Ersatzwelt verharrenden Gefangenen so etwas wie ein Wahlrecht zu verleihen. Im antiken Rom hatte man es nicht anders gesehen. Sklaven waren vom Wahlrecht prinzipiell ausgeschlossen, die politische Wahl nur den Bürgern von Rom vorbehalten gewesen. Durch „Brot und Spiele“ gesellschaftlich abgerichtet und bei Laune gehalten, hatten Sklaven nur ihren persönlichen Vorteil im Sinn. Sie galten daher als ungebildet, ungeeignet und somit als unmündig, eine entsprechende Verantwortung aufzubringen und sich mit einem Mitbestimmungsrecht einzubringen.

Die große historische Errungenschaft des allgemeinen Wahlrechts, lange und opferreich erkämpft, wird in der Neuzeit durch den Einsatz von Kapital und Massenpsychologie auf perfide Art und Weise manipuliert und in ihrer ursprünglichen Absicht unterlaufen.Wieder einmal, nein, unausgesetzt, bahnt sich eine Gruppe Unterdrücker ihren Weg, um ihren elitären Anspruch durchzusetzen und eine Klassengesellschaft aufzubauen. Die untere Klasse ist selbstverständlich jene, welche für die obere arbeitet und produziert, um anschließend ihren Lohn über billigen Konsum zurückzutransferieren.

Wurde früher dieser Anspruch als gottgegeben dargestellt, bedienen sich die Unterdrücker heute perfiderweise der einstigen Instrumente der Befreier, um ihren elitären Anspruch erneut zu legitimieren.

 

 

Freitag
13
Dezember 2019
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