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Ausgewählt. Teil 2

 

Gedanken zur Gemeinderatswahl 2020, Teil 2

von Archimbaldo

Besondere Beachtung verdient meiner Meinung nach das Exitplakat der nun zu Ende gehenden ÖVP Kampagne in Wiener Neustadt: „ Weiterarbeiten“.

 

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Die Realität sieht anders aus: keine Gemeinsamkeit im Neoliberalismus. 

 

Damit entlässt nun die siegreiche Partei die Bürger der Stadt wieder in einen neoliberalen Alltag, der ihnen alles andere als eine Gemeinsamkeit bieten wird. Auch hierbei handelt es sich wieder um einen typischen, manipulativen Akt: die Massen werden mit einer „Aufgabe“ entlassen. Abschied und „Dank“ werden mit einer zynischen Aufforderung begleitet.

Die Ausdrücke „weiterarbeiten“ und „gemeinsam“ sollen zum einen den Begriff Arbeit positiv besetzen, zum anderen eine Art Solidarität und Gemeinschaftlichkeit beschwören, von der jedoch jeder weiß, dass es diese durch das Wirtschaftsmodell eines zügellosen Turbo-Kapitalismus mit all seinen sozialen Verheerungen – den eben diese Partei vertritt – bereits schon länger nicht mehr gibt.

Im sich immer weiter zuspitzenden Wettbewerb wird zudem ein gemeinsames und auch sinnvolles Arbeiten immer seltener. Insofern überhaupt Arbeitsplätze vorhanden sind, beschränken sich diese für die meisten zunehmend auf das fremdbestimmte Ausführen von schematischen Vorgaben zur reinen Effizienz- und Profitsteigerung anderer. In dieser aufgewiegelten Neid-Gesellschaft findet Gemeinsamkeit, wenn überhaupt, nur noch in Kleingruppen und zu eindeutigen Zielen statt, wie etwa bei Kartellen und Burschenschaften. Die immer noch beschworene Solidargemeinschaft, deren Ziel es war, alle irgendwie mitzunehmen und einzubinden, ist längst zum belächelten Klischee verkommen, einem inzwischen verblassten Abziehbild der Nachkriegszeit.

Dieses Abschlussplakat der ÖVP wirkt unter all diesen Gegebenheiten fast wie eine Verhöhnung und ist der Gipfel des manipulativen „spin-doctoring“ US-Amerikanischen Zuschnitts. Es ist der erneute Versuch, selbst im Dank die Leute zu blenden und sie mit Durchhalteparolen im System zu halten, eine Art Gerechtigkeit zu suggerieren die es nicht gibt, und der oberen Schicht insbesondere der Regierenden ihre Privilegien und Vorrechte zu erhalten wie bisher. Das sind die eigentlichen Ziele, die hinter solchen Parolen stehen. Der Slogan soll die Mehrheit vergessen machen, dass hauptsächlich sie selbst diesen Karren zieht, auf dem sich ganze Gruppen von Nutznießern und Ausbeutern inzwischen bequem gemacht haben und sich ungeniert weiter ziehen lassen – unter dem Zuruf von noch mehr Geschwindigkeit und Effizienz.

Die derart zugerichteten Massen werden ungetröstet in einen spätkapitalistischen Alltag entlassen, „sollen wollen“, was sie eigentlich nur sollen, und sich dafür einzig in einem falschen Stolz wiegen. Dieser bringt ihnen im Alltag jedoch herzlich wenig, wo sich die meisten Menschen weiter unter immer schwierigeren Bedingungen für ein besseres Überleben abstrampeln können. Und dies bei weiter steigenden Zumutungen, den oft höchsten Gebühren, Abgaben , Strafen und einer der teuersten Lebenshaltungskosten (im Verhältnis zum Einkommen) und Rahmenbedingungen in ganz Europa. Immer im Dienste des Kapitals, verniedlicht „Wirtschaft“ genannt.

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„neu stadt stolz“ – Orthographie mit dem Bürgermeister: zum Schämen.

Zu alledem werden sie dazu angehalten, bestimmte Produkte zu kaufen, welche Leistungssteigerungen suggerieren. Zum Beispiel kleine, überteuerte Dosen mit Gummibärchen-Kracherln als legalen Aufputscher oder andere „Lifestylehabits“. Konsumsüchtige dürfen sich dem hingeben, dürfen sich „modern“ und „in“ fühlen, nebenbei jedoch die Gesundheit ruinieren und den Herstellern zu weiterem Reichtum verhelfen.

Einer dieser superreichen Hersteller von Aufputschmitteln aus der Dose wendet erhebliche Mittel auf, um mit Botschaften über die scheinbare Mittelmäßigkeit seiner Jünger dieselbigen zu mehr Leistung anzuspornen, und dies nicht zuletzt mit Hilfe des von ihm hergestellten Produktes. Mit einer als Unterhaltung getarnten Scheinwelt aus bewundernswerten Ausnahmetalenten und Extrem-Sportlern, aus einigen wenigen unter Millionen, wird zu einem Nacheifern animiert. Mit großem Aufwand wird auf perfide Art und Weise versucht, das staunende Publikum in ein „Mindset“ hineinzutheatern, welches Höchstleistung als Dauerzustand und einen gnadenlosen Wettbewerb als normal und erstrebenswert erscheinen lassen sollen.

Der Konsum dient als Hilfestellung und Erleichterung für eine Welt, die vor allem der Profitmaximierung nützlich ist. Zur Scheinwelt das passende Getränk: unnötig, billig in der Herstellung und teuer an eine Masse verkauft. Für den Lemming, der sich inmitten seiner Herde als Individualist fühlt. Mit dem Lemming-Getränk.

Es gibt kein Genug im Kapitalismus. Und deswegen heißt es: weiterarbeiten!

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Ein Plakat der letzten SPÖ-Kampagne: Trotz dynamischem Auftritt , neuen jungen Gesichtern und guter Problemanalyse scheiterte das „Team Margarethe Sitz“ unverdient an der Sehnsucht nach einem „starken Mann“.

Die ganze Gesellschaft ist durch dieses Wirtschaftssystem inzwischen völlig entstellt, dekadent, infantil und kurzsichtig geworden, und wir alle, nicht nur etwa die SPÖ, stehen vor einer fast unlösbaren Herausforderung. Es wäre die Aufgabe der Stunde, dieser Mehrheit an Leuten emphatisch und wohlwollend gegenüber zu treten, ohne uns selbst völlig zu verraten, sie mit unseren humanistischen Werten zu konfrontieren und zu überzeugen, ohne jedoch selber dabei völlig unterzugehen.

Wenn uns dies jedoch nicht bald gelingt werden wir auf Jahrzehnte hinaus dem Wahnsinn der neoliberalen Kräfte ausgesetzt sein, die uns zunehmend zu Skalven der Industie und ihrer Hintermänner werden läßt, um letztlich nur die ohnehin schamlos Reichen dann noch reicher zu machen und die Armen noch ärmer und wehrloser. Ein neofeudaler, sozialer Albtraum und eine horrende Dystopie, die hoffentlich doch noch irgendwie abgewendet werden kann, zur Rettung der Welt, des Humanismus, der Menschheit und zum Wohle von uns allen.

 

Montag
03
Februar 2020
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