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Paris, Januar 2015. Teil 31.

 

Fast unbemerkt geblieben ist ein am 9. November 2015 von SPIEGEL-Online in Netz gestellter Artikel, der den Charlie-Hebdo-Fall betraf. Der SPIEGEL berief sich als Quelle auf die französische Zeitung „Le Monde“.

Thema waren E-Mails, die Amedy Coulibaly damals im Januar 2015 angeblich erhalten haben soll. „Mehrere E-Mails“ sollen wiederum dem französische Blatt zugespielt worden sein. Dem kann natürlich nur eine nicht überprüfbare Polizeiquelle zugrunde gelegen haben, was aber in dem Artikel nicht erwähnt wurde.

Ermittlungsergebnisse: Attentäter von Paris erhielt Anweisungen per E-Mail

SPIEGEL-ONLINE, 9. November 2015.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlie-hebdo-anschlag-attentaeter-erhielt-anweisungen-per-e-mail-a-1061930.html

 

Die Geschichte, welche die französische Polizei über die Medien erzählen möchte, ist eine besonders dummdreiste. Wer sich mit dem Fall nicht auskennt, kann es hier bei uns nachholen.

http://www.bollwerk.co.at/paris-januar-2015/

 

Amedy Coulibaly 2

Respektlos gegenüber dem Überwachungsstaat: Amedy Coulibaly. 

 

Zuerst einmal behauptete die Polizei, dass die vermeintlichen Täter offen über E-Mail kommuniziert haben sollen. Also Leute, die aufgrund ihrer Vorgeschichte auf dem Radar der Behörden stehen mussten, in einem Land, in welchem die Überwachung dichter ist als anderswo in Europa, in einem Land, in welchem andere Dienste wie die US-amerikanische NSA und andere ebenfalls in allen Leitungen hängen und aktiv sind.

Die französische Polizei und Geheimdienste hatten sich damals als „ahnungslos“ deklariert, und weil dem so war, wollen sie diese Mail ganz simpel auf dem PC von Coulibaly gefunden haben. Zehn Monate später.

„Am 7. Januar teilte ihm der unbekannte Auftraggeber mit: „Okay, tu, was du heute zu tun hast.“ Daraufhin feuerte der Mann zunächst auf einen Jogger in der Nähe seiner Wohnung. Danach tötete er in Paris-Montrouge eine Polizistin, während die Kouachis auf der Flucht waren.“

Polizei und Medien versuchten hiermit, eine Verbindung zwischen der angeblichen Mail und den Gewalttaten herzustellen und vor allem: zu unterstellen. Dabei handelte es sich aber nur um Meinungsmache, denn die angebliche Mail würde vor einem ordentlichen Gericht nicht einmal als schwaches Indiz anerkannt werden. Wie denn auch? Hinzu kommt, dass der Mordversuch an dem Jogger durch Coulibaly nicht bewiesen werden konnte, nicht einmal der Mord an der französischen Polizistin. Dagegen gab es im letzteren Fall Anzeichen einer Manipulation, um es Coulibaly in die Schuhe zu schieben.

Die Darstellung der Polizei konnten wir bereits vollständig zerlegen:

http://www.bollwerk.co.at/2015/05/03/paris-janauar-2015-teil-23/

http://www.bollwerk.co.at/2015/05/08/paris-januar-2015-teil-24/

 

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Tumber Befehlsempfänger: der Ex-Knacki A. Coulibaly. 

 

„Per E-Mail wurde Coulibaly mitgeteilt, er werde „bald Anweisungen“ bekommen, wie er weiter vorzugehen habe; unter anderem müsse er „in einem Video erklären, dass Zigoto im Namen von ‚d‘ helfen“. Die Ermittler gehen davon aus, dass mit „Zigoto“ die Gebrüder Kouachi und mit „d“ die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) – auch „Daesch“ genannt – gemeint waren.“

Wovon die Ermittler ausgehen, ist vollkommen irrelevant. Was sie beweisen können, ist relevant, aber daran scheint es zu hapern. Warum wird der angebliche Absender dieser Mails nicht genannt? Die entscheidende Frage wird erst gar nicht gestellt. Auch die Zeitangaben fehlen, so dass eine sinnvolle Einordnung für Leser nicht möglich ist. Somit auch hier: die Ermittler ermittelten nichts, wie den gesamten Fall über nicht, sondern bekamen „Informationen“ immer von den angeblichen Tätern geliefert, die von ihnen nur aufgeklaubt werden mussten. Diese peinliche Tatsache zieht sich wie ein roter Faden durch den Fall.

Hier unsere Betrachtung zu dem ominösen Bekenner-Video Coulibalys:

http://www.bollwerk.co.at/2015/02/13/paris-januar-2015-teil-11/

 

Es sollte mit den von der Polizei lancierten „Informationen“ offenbar versucht werden, einige damals präsentierte dubiose „Begebenheiten“ in ein halbwegs plausibles Korsett zu stellen. Es passt aber nicht, es passt sogar noch weniger als zuvor. Bemerkenswert ist außerdem der Punkt in der Geschichte, dass Coulibaly wie einem tumben Idioten etwas aufgetragen worden sein soll, womit er nichts zu tun hatte. Stichwort: IS. Dieser Punkt ist ein weiterer Schwachpunkt an der Polizeigeschichte.

„Coulibaly informierte seinen anonymen Befehlsgeber seinerseits, wie viele Waffen er besaß: „ein Sturmgewehr AK-74 mit 275 Patronen, sechs Tokarew-Pistolen mit 69 Patronen, drei kugelsichere Westen, zwei Tränengas-Sprays und zwei Messer“.“

Herrlich! Coulibaly wurde nun von der Polizei als geistig Behinderter dargestellt. Da soll eine anonyme Mail gekommen sein und Coulibaly habe gleich sein Waffenarsenal alles andere als anonym online bekannt gegeben. Genau dieser Coulibaly, ein Schwarzer in Frankreich, kriminell, laut Polizei neuerdings Islamist, gerade erst aus dem Knast gekommen und garantiert nicht, nein, niemals, auf gar keinen Fall, nie nicht auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden.

Das möchte uns die Polizei erzählen, das sollen wir g l a u b e n. Es geht hier schlichtweg um ein Bild, welches vermittelt werden soll, um nichts weiter.

„Am 8. Januar teilte ihm der Auftraggeber mit: „Freunde unmöglich, allein arbeiten“. Einen Tag später stürmte Coulibaly den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher und tötete dort vier Menschen. Schließlich erschossen Elitepolizisten den Attentäter.“

Genau, die drei stark intellektuell beeinträchtigten „Täter“ sollen erkannt haben, dass ihre Spurenlegung tatsächlich zu ihrer „Entdeckung“ geführt haben soll, vollkommen überraschend. Der Mitarbeiter des Innenministeriums, der Autor, muss es sich genau so vorgestellt haben und hatte daher einen Satz eingefügt, wie er seiner Ansicht nach von geistig Behinderten ausgesprochen werden könnte. Beweiskaft dennoch null.

 

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Wer mag sich hinter den schwarzen Masken mit den hellen Armen verbergen? US-Amerikaner, Engländer, Israelis oder… Franzosen???

 

„Die Identität des Befehlsgebers ist noch ungeklärt. Die Ermittler haben jedoch den Islamisten Salim B. im Verdacht. Der 35-jährige Franzose stammt aus dem Pariser Vorort Cachan und kannte Coulibaly sowie Chérif Kouachi. Seit 2012 soll er sich beim IS in Syrien aufhalten.“

Die Polizei hatte ja bislang leider nichts ermitteln können. Schade. Die IT-Experten der französischen und US-amerikanischen Geheimdienste scheinen diesem Artikel nach überbewertet. Nun endlich, im November eine Spur zu einem „Salim B.“, den keine Sau kennt, den aber wieder die Geheimdienste kennen wollen. Das wird sogar bestätigt, denn schließlich soll sich dieser Mann in Syrien aufhalten, seit 2012, das ist bekannt, das wissen sie. Alles an Informationen vorhanden, aber kein Beweis. So ein Pech. Und was für ein Pech, dass die Charlie-Hebdo-Täter sich als „Al-Kaida aus dem Jemen“ deklariert hatten, trotz des angeblichen IS-Auftraggebers. Nun, letztlich ist es ohnehin gleichgültig, ob unter dem Label Al-Kaida oder IS schreiend, deren Auftraggeber sind die gleichen. Einige von ihnen befinden sich auch in den politischen, militärischen und geheimdienstlichen Strukturen Frankreichs.

 

Hyper Cacher - Handschellen

Der Moment, an dem die französische Polizei den geistig behinderten Coulibaly erschossen hatte. 

 

Diese von der französischen Polizei und den Geheimdiensten inhaltlich selten dämlichen „Informationen“, welche zur Veröffentlichung an die Konzernmedien weitergereicht worden war, wären nicht der Rede wert. Es zeigt höchstens die Dummdreistigkeit der Initiatoren, der Autoren und der medialen Verteiler wie den SPIEGEL auf. Und es liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass die Anschläge vom Januar 2015 in Paris durch Polizei und Geheimdienste initiiert und gelenkt worden sein müssen. 

Interessant ist zudem das Datum der Veröffentlichung. Obwohl extremst unglaubwürdig, insgesamt inhaltlich belanglos und auf angebliche Erkenntnisse beruhend, die schon im Januar 2015 vorgelegen haben sollten, wurde dieser Quatsch wenige Tage vor dem erneuten Anschlag in Paris am 8./9. November 2015 den Medienkonsumenten unter die Nase gehalten. Das hat etwas von einer Art Erinnerungskultur. Zuerst an den (dubiosen) Charlie-Hebdo-Fall erinnern, dann die Bombe platzen lassen, damit diese auch sitzt.

In unseren Köpfen.

 

Freitag
18
Dezember 2015
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